Grünes Wachstum: Der Schlüssel liegt im Süden
Den Kapitalismus abschaffen oder grünes Wachstum fördern? Was wir Deutschen gegen die Klimakrise tun können.
D as perfide Zusammenwirken von Ökologie und Ökonomie treibt uns in eine beispiellose Krise, auf die es zwei Antworten gibt, die beide völlig unbefriedigend sind: Postwachstumsökonomie (PWÖ) und Green New Deal. Zwei Auswege für eine im Grunde ausweglose Situation, die sich durch unkontrolliertes Wachstum und globalen Kapitalismus ergeben hat: Die Menschheit verbraucht viel mehr, als unsere Erde auf Dauer zu bieten hat. Die Vertreter der PWÖ entgegnen darauf: Schluss mit dem Wachstum, das uns die Krise eingebrockt hat! Nur verändertes Konsumverhalten senkt die Wachstumskurven wirklich. Wir dürfen den Bock des Wachstums nicht zum Gärtner machen und meinen, noch mehr „ergrüntes“ Wachstum würde uns retten.
Genau das meinen Vertreter des Green New Deals. Sie setzen auf nachhaltiges Wachstum: technologische Innovationen und Marktwirtschaft, eventuell gepaart mit gezielten Verboten schädlichen Konsums. Man muss für dieses Modell nicht den Menschen und die Wirtschaft neu erfinden, es nutzt altbekannte Pfade, zum Beispiel den Egoismus des Homo oeconomicus, wenngleich auf lange Sicht.
Dagegen protestieren die Postwachstumsökonomen, nachhaltiges Wachstum sei unmöglich, besonders wegen der bekannten Bumerangeffekte. Diese treten auf, wenn wir beispielsweise ein einzelnes Auto effizienter als zuvor produzieren. Wenn so weniger Sprit pro Fahrt verbraucht wird, wird Auto fahren billiger, weshalb sich der Spritverbrauch der gesamten Flotte trotz sparsamerer einzelner Autos erhöht. Nur wegen dieses Schemas erkläre sich, weshalb unsere Klimagasemissionen auch dann steigen, wenn ein Produkt ökologisch effizienter als sein Vorläufer ist. Vertreter des Green New Deal kontern, dass man solche Entwicklungen durch globale Steuern vermeiden kann. Aber jeder weiß, wie schwer globale Steuern zu erheben sind.
Ulrike Herrmann von der taz hat jüngst den Wachstumsoptimisten die Leviten gelesen. Es werde auch in Zukunft insbesondere in der Technologie zur Speicherung erneuerbarer Energien einen Engpass geben. Es sei ausgeschlossen, jemals genug Ökostrom zu erzeugen, um die Emissionen auf null zu senken und gleichzeitig die Wirtschaftsleistung weiterhin zu steigern. Weil der Kapitalismus ohne Wachstum nicht funktioniere, lasse sich die Klimakrise nicht lösen, ohne ihn abzuschaffen. Allerdings ist es nicht nötig anzunehmen, dass eine technische Unmöglichkeit an einem bestimmten Punkt das ganze grüne Wachstum dauerhaft aushebelt. Dazu sind unsere Ingenieure doch zu dynamisch. Zudem widerspricht Herrmann überzeugend Studien (etwa von Agora Energiewende), wonach grünes Wachstum billig und sogar ein Geschäft wäre, wenn es erst einmal damit losginge. In der Tat, der Green New Deal scheint größenwahnsinnig, wenn er davon ausgeht, nur fünf- oder zehnfaches Wachstum bringe uns aus der Krise, die wir dem Wachstum verdanken.
Allerdings scheint mir die Alternative, die PWÖ, nicht gleichermaßen kritisch analysiert zu werden. Es gibt ein Recht auf ein würdevolles Leben und eine Wirtschaft ohne Armut. Die Frage ist: Wenn wir global nachholendes Wachstum brauchen, können wir im „Norden“ das nachholende Wachstum des „Südens“ ausgleichen? Wie viel müssten wir schrumpfen? Ich behaupte mal so viel, dass dies keine Akzeptanz bei uns finden würde, selbst wenn man ein Ende von Konsum und Erwerbsarbeit als Befreiung kommunizierte. Das zeigt die manische Diskussion der Energiekrise in diesem Winter, die schlimmstenfalls nur einen Bruchteil der Schrumpfung bedeuten würde, die uns eine PWÖ zumutete.
Zudem braucht der Globale Süden hoch entwickelte Technik, damit er sauberer wachsen kann, als wir es getan haben. Dazu müssen wir innovativ wachsen. Zudem werden manche Länder im Globalen Norden (etwa die USA) genug grüne Energie für sich selbst produzieren können, anders als das energiearme Deutschland. Diese Länder werden niemals auf eine PWÖ umschwenken. Würden wir in Deutschland alleine den Konkurrenznachteil eines Wachstumsstopps in Kauf nehmen? Realisierbarer als eine völlig neue Wirtschaftsweise scheint es zu sein, die Prioritäten des Klimaschutzes in Deutschland neu zu ordnen.
Bernward Gesang
ist Professor für Philosophie und Wirtschaftsethik und Autor. 2020 erschien „Mit kühlem Kopf. Über den Nutzen der Philosophie für die Klimadebatte“ (Hanser Verlag).
Die Energiewende im Inneren bindet viele Kapazitäten und ist für ein energiearmes Land wie Deutschland zwar nötig, aber schwierig. Wir könnten uns aussichtsreicher vorrangig im Süden betätigen und schnell und sicher Klimagase beseitigen, indem wir Kapital investierten, um den Regenwald oder die Moore zu schützen. Der ehemalige Präsident von Ecuador, Raffael Correa, hat 2007 angeboten, den Regenwald des Landes unangetastet zu lassen, wenn die Industrienationen für den Status quo bezahlten. Die Chance wurde vertan, aber lässt sich Derartiges nicht andernorts aufbauen? Wenn wir dort helfen und unsere eigene Energiewende weniger kapitalintensiv und europäischer ausgerichtet betreiben würden, würde Deutschland die globale Menge an Klimagasen effizient verringern. Diese gilt es schnellstmöglich zu verkleinern, auch um in Richtung Klimaneutralität mehr als die angestrebte Senkung der Emissionen um 2 Prozent des globalen Aufkommens zu erreichen – so groß ist Deutschlands Anteil an den globalen Emissionen.
Gleichzeitig gilt es auch im Inland eine Energiewende einzuleiten. Und es gilt Techniken wie die Stahlproduktion mit grünem Wasserstoff zu entwickeln, die durch Installation in der Breite zukunftsfähig würden. Aber es bleibt wahr, dass die deutsche Energiewende immer ein primär symbolisches Projekt ist, denn es zielt auf lediglich 2 Prozent Reduktion der globalen Klimagase. Will Deutschland etwas über das Symbolische hinaus bewirken, muss es Klimaschutz global und außenpolitisch denken.
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