Grünenpolitiker zur Griechenlandpolitik: „Das ist eine Scheißdebatte“
Griechenland muss im Euro bleiben, meint Manuel Sarrazin. Die „Macht des Faktischen“ werde auch für Alexis Tsipras gelten.
taz: Herr Sarrazin, warum klingen die Grünen bei Griechenland wie Wolfgang Schäuble?
Manuel Sarrazin: Im Gegensatz zu Schäuble haben wir immer gesagt, dass Griechenland im Euro bleiben muss. Die Bundesregierung hat sich selber einer nationalen Rhetorik bedient, aber zumindest Schäuble hat das verstanden. Sie müssen also ihn fragen, warum er heute so klingt wie wir.
Die Bundesregierung plant angeblich mit einem Austritt Griechenlands aus dem Euro.
Die Bundesregierung hat noch kurz vor Weihnachten das Parlament über die Verlängerung des Hilfsprogramms abstimmen lassen. Rechtsgrundlage war, dass Griechenland im Euro bleibt. Die Lage in Griechenland war da schon absehbar.
Diese Meldung des Spiegel stimmt nicht?
Der Spiegel hat unter Berufung auf sogenannte Kreise aus dem Finanzministerium zu diesem Thema schon viel Unsinn geschrieben. Es könnte aber auch sein, dass jemand versucht, Druck auf die griechischen Wähler auszuüben. Aber das wird nicht funktionieren. Wir haben seit fünf Jahren diese Scheißdebatte, dass hier wie da bestimmte Politiker und Medien nationalistische Positionen provozieren. Ich fürchte, auch die jetzige Aufregung wird nur Tsipras nutzen.
Sie fürchten? Das klingt wieder nach Schäuble oder Thomas Oppermann von der SPD.
Ich glaube, dass wir in Griechenland und in Deutschland nur solche Politiker brauchen, die dafür stehen, dass Griechenland im Euro verbleibt. Alles andere wäre für beide Seiten und die EU fatal.
Der 32-Jährige ist stellvertretender Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen in Hamburg und europapolitischer Sprecher seiner Partei im Bundestag.
Aber Alexis Tsipras spricht davon, über Kreditbedingungen neu zu verhandeln.
Herr Tsipras ist ein sympathischer Mensch. Aber er sollte seinen Wählern reinen Wein einschenken: Das Programm für Griechenland besteht nur noch aus einer letzten Tranche. Die Rückzahlung an die staatlichen Gläubiger steht noch nicht an. Ich halte es nicht für glaubwürdig, wenn er seinen Wählern verspricht, durch Neuverhandlungen große Spielräume zu eröffnen. Griechenland wird sich an die Verträge halten müssen. Man sollte den Griechen ihre Wahl überlassen. Dann wird die Macht des Faktischen auch für Herrn Tsipras gelten.
Dessen zweite Forderung lautet Schuldenschnitt.
Wir Grüne treten für einen konditionierten Schuldenschnitt ein, der Erleichterungen bei der gefährlich hohen Schuldenquote des Landes im Gegenzug für Strukturreformen vorsieht. Dazu gehören für uns aber nicht nur Wirtschaftsreformen und Sparmaßnahmen, sondern vor allem auch der Kampf gegen Korruption und die Verbesserung der Rechtsstaatlichkeit im Land.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen