Grünen-Abgeordneter über Böllerdebatte: „Ein Verbot muss von unten kommen“
An Silvester böllern oder nicht? Oder nur in bestimmten Zonen? Wir wollen erst den Betroffenen zuhören, sagt Georg P. Kössler von den Grünen.
taz: Herr Kössler, warum ist kurz vor Ostern ein guter Zeitpunkt, um über ein Böllerverbot an Silvester zu diskutieren?
Georg P. Kössler: Ich finde den Zeitpunkt eigentlich ziemlich ideal. Die Gemüter haben sich seit Silvester, als das letzte Mal über ein Böllerverbot diskutiert wurde, wieder ein wenig abgekühlt. Diese Debatte wird ja alle Jahre wieder geführt, aber immer erst kurz vor knapp. Jetzt können wir bis zum Sommer in Ruhe diskutieren und über einen entsprechenden Antrag beraten und der Senat hat dann sogar noch Zeit, die Dinge bis zum Jahresende zu prüfen.
Tatsächlich meint es auch Ihr Koalitionspartner in diesem Jahr offenbar ernst: Die SPD arbeitet gerade an einem Beschlussentwurf, der Böllern auf „Feuerwerkserlaubniszonen“ beschränken will. Was wollen die Grünen?
Die Ideen der SPD habe ich noch nicht gesehen. Wir wollen vor allem erst einmal den Leuten zuhören, die besonders von der Knallerei betroffen sind – also den Anwohnern in den eng besiedelten Innenstadtkiezen. Deswegen machen wir auch am Mittwochabend eine Diskussionsveranstaltung im Reuterkiez in Neukölln zum Böllerverbot. Das muss von unten kommen!
Gesetzeslage Was an Knallerei erlaubt ist, regelt das Sprengstoffgesetz: Zum Beispiel ist dort festgelegt, dass nur Böller bis zu einer Lautstärke von 120 Dezibel verkauft werden dürfen und dass ein Sicherheitsabstand von acht Meter Radius beim Zünden einzuhalten ist. Unter anderem Bielefeld, Bremen und Göttingen sind in der City bereits knallerfrei.
Diskussion Am Mittwoch diskutiert u. a. die Grüne-Fraktionschefin Silke Gebel mit Experten über Möglichkeiten eines Böllerverbots: Sharehaus Refugio, Lenaustraße 3/4 Neukölln, ab 18.30 Uhr. (taz)
Georg P. Kössler
ist Sprecher der Grünen-Fraktion im Ausschuss für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz im Abgeordnetenhaus Foto: Markus Heine
Umweltsenatorin Regine Günther hat bereits gesagt, dass sie die rechtliche Durchsetzung eines Böllerverbots für schwierig hält. Das Sprengstoffgesetz verbiete die Knallerei vor Krankenhäusern, Altenheimen und Kirchen – viel mehr Spielraum sehe sie da nicht.
Ich finde die Senatorin da ein wenig pessimistisch. Ein eingeschränktes Böllerverbot ist in vielen Städten ja bereits Realität. In Düsseldorf zum Beispiel hat die Kommune es mit dem Verweis auf die engen Gassen in der Innenstadt durchgesetzt. Dort könne der Mindestabstand von acht Metern, die das Sprengstoffgesetz vorschreibt, nicht eingehalten werden. Diese acht Meter halten Sie im Reuter- oder im Graefekiez auch niemals ein. Aber womöglich muss man gar nicht ans Sprengstoffgesetz ran.
Wie das?
Wir könnten uns auch eine Art Pilotprojekt zum Beispiel im Reuterkiez vorstellen: dass man in einem Bürgerbeteiligungsverfahren eine böllerfreie Zone vereinbart. Das müsste dann die Innenverwaltung gemeinsam mit dem Bezirk beschließen. Es muss letztlich darum gehen, die Knallerei aus den Innenstadtbezirken rauszukriegen und am besten auf einige zentrale Plätze zu beschränken: den Alex, den Hermannplatz.
Selbst wenn das Gesetz würde: Wie soll das in der Silvesternacht durchgesetzt werden?
Klar, selbst eine Million Polizisten würden nicht reichen. Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass ein Böllerverbot aus der Gesellschaft heraus kommt, da muss ein Bewusstseinswandel stattfinden.
Keine Sorge, damit mal wieder als Verbotspartei dazustehen?
Nö. Dass die SPD und die Linke nun ins gleiche Horn stoßen, zeigt ja: Die Böller nerven nicht nur uns Grüne.
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