Grünen-Abgeordnete gibt "Schwarzbuch Fahrradfallen" heraus: Das macht radlos
Autos, Baustellen, Lieferverkehr: Radfahrer in Berlin haben mit vielen Gefahren zu kämpfen. Ihre Situation dokumentiert das "Schwarzbuch Fahrradfallen" der grünen Abgeordneten Claudia Hämmerling.
Eine Fahrradstadt ist Berlin noch lange nicht. Zwar nimmt der Anteil am Radverkehr stetig zu, zwar schwingen sich inzwischen 13 Prozent der Berliner auf ihren Drahtesel, um zur Arbeit zu kommen. Doch im Vergleich zu anderen Städten ist das wenig: In Münster etwa werden mehr als 37 Prozent aller Wege mit dem Rad zurückgelegt. Zudem bleibt es eine gefährliche Art der Fortbewegung. Selbstkritisch merkt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf ihren Internetseiten zum Thema Fahrradunfälle an: "Die Wahrscheinlichkeit schwerer Unfallfolgen ist in Berlin höher als in vergleichbaren Städten." Im Durchschnitt kommen in der Stadt jährlich ein Dutzend Radfahrer bei Verkehrsunfällen ums Leben.
Natürlich darf nicht vergessen werden, dass Radfahrer auch Unfallverursacher sind; indem sie auf der falschen Seite fahren etwa oder rote Ampeln missachten. Häufiger noch wird ihnen aber von Autofahrern die Vorfahrt genommen. Im Jahr 2008 verunglückten 636 Radfahrer bei Unfällen mit rechtsabbiegenden Wagen. Fast ein Drittel der tödlichen Unfälle wird durch abbiegende Lastwagen verursacht, deren Fahrer Radler übersehen. Erwiesen ist, dass sich solche Unfälle an Stellen häufen, an denen Radfahrer auf den Bürgersteig gezwungen werden - daher werden neue Radwege möglichst auf der Fahrbahn markiert.
Unklare Wegeführung, Baustellen, parkende Lieferwagen - die Liste der Gefahrenpole für Radler ist lang. Die Grünen-Abgeordnete Claudia Hämmerling sammelt derzeit Beispielorte in der Stadt, die Radfahrern eigentlich nicht zuzumuten sind. Ihr "Schwarzbuch Fahrradfallen" will sie dem Senat zukommen lassen und damit die Belange der Radfahrer unterstützen.
Dabei zollt Hämmerling dem Bemühen der Senatsverwaltung Respekt, den Anteil der Radler am Gesamtverkehr von derzeit 20 bis 25 Prozent zu steigern. Aber: "Alltagstauglich sind die Angebote für Radfahrer in ihrer Gesamtheit nicht", findet sie. Letztlich sei die Verkehrsstrategie des Landes aber weiter auf den motorisierten Individualverkehr ausgerichtet.
Die Senatsverwaltung will im kommenden Jahr 5 Millionen Euro für den Bau und die Sanierung von Radwegen bereitstellen, deutlich mehr als in den Jahren zuvor. Einzig: Das Verfahren dauert sehr lange. Die Bezirke müssen Mittel für geplante Radwege bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung beantragen. Die prüft. Die Bezirke schreiben die Maßnahme aus, anschließend erhalten sie vom Senat das angeforderte Geld. Nicht selten kommen die Mittel aus verschiedenen Töpfen - aus dem Radwegeprogramm, von der Europäischen Union oder eingestellt als Investitionsmaßnahme.
"Das Bauen ist noch das Wenigste", bestätigt Siegfried Dittrich vom Straßen- und Grünflächenamt des Bezirks Mitte. Er verweist darauf, dass schon bei der Vorbereitung Polizei, Verkehrslenkung, Senatsverwaltung und verschiedene Funktionsträger im Bezirk ihr Votum abgeben müssen. Wenn dann noch Bauarbeiten auf einer der Straßen anstehen oder der Winter kommt, muss der Radweg warten.
Bisweilen vergehen drei Jahre, bis ein Radweg angelegt wird. Ein Beispiel: die Prinzregentenstraße in Wilmersdorf. Schon 2008 war klar, dass sie ab dem Prager Platz zur Fahrradstraße werden soll. Im kommenden Jahr werde das Projekt nun tatsächlich angegangen, verspricht der Leiter des Bezirkstiefbauamts, Rembert Pischnick.
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