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Grüne wollen wieder EU-FreizügigkeitAlles unter Kontrolle?

Die Grenzkontrollen zu Polen wurden verlängert. Alles Symbolpolitik, sagt nun ein Gutachten, das die Brandenburger Grünen in Auftrag gegeben haben.

Nur einer von drei Kontrollpunkten: Oderbrücke in Frankfurt Foto: picture alliance/dpa | Patrick Pleul

Berlin taz | Die Kontrollen an der Brandenburger Grenze zu Polen, findet der grüne Europaabgeordnete Erik Marquardt schon lange, seien „politisch motiviert“. Am Dienstag nun haben Marquardt und die Brandenburger Grünen ein Gutachten vorgestellt, das diese These untermauern könnte. „Die Zusammenhänge sind nicht immer so einfach wie behauptet“, sagt der Autor des Gutachtens Marcus Engler.

Der Migrationsforscher des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung hat das 19 Seiten starke Gutachten im Auftrag der bündnisgrünen Landtagsfraktion in Brandenburg erstellt. Dabei stellt er auch die Grundannahme in Frage, die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bei der Einführung der stationären Grenzkontrollen zu Polen im Oktober 2023 genannt hat. Faeser hatte für den September 2023 von irregulären Einreisen von 3.261 Personen gesprochen. Das seien mehr als dreimal so viele Menschen gewesen wie im September 2022.

Engler sagt nun, dass diese Zahlen nur eine „begrenzte Aussagekraft“ gehabt hätten. „Zum einen werden hier Einreisen beziehungsweise Einreiseversuche gezählt und nicht Personen“, heißt es im Gutachten. Es sei also „sehr wahrscheinlich, dass Personen hier mehrfach gezählt werden“. Zum anderen habe es seit 2022 „eine kontinuierliche Intensivierung von Kontrollen an den deutschen Grenzen“ gegeben. Es sei daher sehr plausibel, „dass die deutlich höhere Kontrolldichte ein wesentlicher Grund dafür ist, dass auch mehr Einreisen bei Kontrollen registriert worden sind“.

Auch eine erste Bilanz von Faeser aus dem Februar 2024 sieht Engler nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Kontrollen. Zwar seien die Zahlen der irregulären Einreisen inzwischen rückläufig. Dies könne aber auch darauf zurückzuführen sein, dass Geflüchtete auf andere Grenzübergänge ausweichen. Die grüne Landtagsabgeordnete Sahra Damus sagt es so: „Kontrolliert wird in Brandenburg nur an der Stadtbrücke in Frankfurt, der A12 und der Autobahn in Forst.“ Insgesamt gebe es aber 20 Grenzübergänge sowie die Möglichkeit, über die grüne Grenze zu gehen.

Grüne wollen Ende der Kontrollen

„Es ist eine Illusion zu glauben, dass man mit Kontrollen an drei Grenzübergängen signifikant Migration verhindern kann“, so Damus. Sie fordert deshalb den „Einstieg in eine Debatte um den Ausstieg aus den Kontrollen“. Spätestens nach der Fußball-EM und der Olympiade in Paris sollen sie beendet werden. Zuletzt hatte das Bundesinnenministerium die Kontrollen bis zum 15. Juni verlängert.

Der grüne Europaabgeordnete Marquardt jedenfalls sieht sich in seiner Einschätzung bestätigt. „Es geht bei diesen Kontrollen um politische Kommunikation und nicht um Ergebnisse“, sagte er im Anschluss an die Vorstellung des Gutachtens. „Man will damit zeigen, dass man handlungsfähig ist.“

Dass die Grünen angesichts der politischen Stimmungslage mit dieser Kritik Punkte sammeln, glaubt Marquardt nicht. „Ich würde mir aber wünschen, dass das Innenministerium das Thema Freizügigkeit stärker auf die Agenda setzt.“

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