■ Grüne ringen um Atomkompromiss: Wer lebt länger: Grüne oder AKWs?
Die Grünen-Parteivorstände aus Bund und Ländern haben sich Montagnacht noch nicht auf die Linie der Bundesregierung beim kommenden Ausstiegsgesetz eingelassen. 30 Jahre Laufzeit für die deutschen Atomreaktoren lassen sich der Parteibasis und auch den WählerInnen nur sehr schlecht verkaufen, das wissen die bündnisgrünen Landespolitiker recht genau. Vom Sofortausstieg über möglichst schnell und „unumkehrbar“ zu 30 Jahren – die rasante Entwicklung der bündnisgrünen Regierungsmitglieder kann die grüne Partei wieder einmal nicht schnell genug nachvollziehen.
Die 30 Jahre stehen zwar nur im Gesetz, wenn ein Konsens über den Atomausstieg mit den Stromkonzernen nicht zu erreichen ist, aber sie geben schon einmal den Grad des Erfolgs vor, der bei den kommenden Verhandlungen zu erreichen ist. Wenn die SPD weiter so stur auf Schmusekurs mit der Atomindustrie bleibt, kann es sehr leicht sein, dass die Restlaufzeit der AKW länger ausfällt als die der gebeutelten Bündnisgrünen. Doch solange die Grünen das wie gehabt mit sich machen lassen, haben sie das Problem, und nicht der Bundeskanzler.
Dabei war Umweltminister Trittin noch vor kurzem von einem Ausstiegs-Rechtsgutachten im Auftrag seines Hauses überzeugt. 25 Jahre Laufzeit wäre auch verfassungsgerichtsfest, so das Fazit der Studie. Nun sieht die Bundesregierung plötzlich überall Risiken, die es zu minimieren gilt. Dabei haben die Atomkonzerne doch auch keinerlei Interesse an einem Grundsatzverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht: Man stelle sich vor, für die Ermittlung des Schadenersatzes müsste eine genaue Kosten-Nutzen-Rechnung für die deutschen AKW samt Endlagerung und Wiederaufarbeitung vorgelegt werden – das fürchtet die Atomindustrie doch fast so sehr wie das Abschalten ihrer neunzehn hoch rentablen Reaktoren. Aber es geht den SPD-Machern ja nicht um den Atomausstieg, sondern darum, die Industrie nicht zu ärgern. Reiner Metzger
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