Grüne lassen räumen: Flüchtlings-Schule bald Geschichte
Kreuzberg Grüne Bürgermeisterin will den Gerichtsvollzieher in besetzte ehemalige Schule schicken. Ein Ersatzhaus für die zehn Besetzer sei in Aussicht.
Die Zeit des Wohnens in der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule (GHS) in Kreuzberg ist bald endgültig vorbei: Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) kündigte am Donnerstag gegenüber der taz an, Mitte kommender Woche den Gerichtsvollzieher anzuweisen, das Räumungsurteil gegen die Besetzer zu vollstrecken. Sie habe zudem die Sozialverwaltung von Senatorin Elke Breitenbach (Linke) um Amtshilfe gebeten, damit eine Unterkunft für die zehn verbliebenen Männer gefunden werde. „Wir haben sehr wohlwollende Signale von dort bekommen“, sagte Herrmann. Eine Sprecherin von Breitenbach bestätigte allerdings nur, das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten prüfe die Unterbringung der Männer in einer Gemeinschaftsunterkunft.
Vor fast fünf Jahren hatten Geflüchtete, die am Oranienplatz gegen deutsche Asylpolitik protestierten, die leer stehende Schule in der Ohlauer Straße als Winterquartier für Frauen und Kinder besetzt. Bald wohnten dort mehrere hundert Menschen. Herrmanns Vorgänger Franz Schulz (Grüne) hatte die Besetzung toleriert; auch die 2013 ins Amt gekommene Herrmann stand öffentlich lange hinter den Protestlern.
2014 wendete sich das Blatt. Nach der Räumung des Oranienplatzes sollten die Geflüchteten auch die GHS verlassen. Die meisten gingen tatsächlich, einige Besetzer erzwangen jedoch durch Flucht auf das Dach erneute Verhandlungen. An deren Ende stand eine schriftliche Vereinbarung, in der der Bezirk ihnen den weiteren Verbleib gestattete. Um zu verhindern, dass das Haus sich erneut mit weiteren Flüchtlingen füllt, stellte der Bezirk einen Wachschutz auf, der nach Angaben von Herrmann seither jährlich rund eine Million Euro kostet.
Wegen dieser schriftlichen Vereinbarung scheiterten mehrere Versuche des Bezirks, die Besetzer räumen zu lassen. Im Juli entschied jedoch das Landgericht, dass es sich lediglich um ein zeitlich begrenztes Arrangement handele – die Klage des Bezirks sei daher rechtens.
Große Pläne für „Campus Ohlauer“
Herrmann sagte, ihr sei klar, dass sie mit ihrem Schritt jetzt den Leuten „die Pistole auf die Brust“ setze. „Aber was soll ich tun?! Es ist wie es ist.“ Der Anwalt der Besetzer, Ralph Monneck, wollte sich auf taz-Anfrage nicht zu Herrmanns Ankündigung äußern. Von der Sozialverwaltung gab es bis Redaktionsschluss keine Aussage, ob sie sich tatsächlich um eine alternative Unterbringung für die Männer kümmert.
Der Bezirk möchte auf dem Gelände rings um die frühere Schule den „Campus Ohlauer“ errichten: ein Flüchtlingszentrum mit Beratungsangeboten, Räumen für Deutschkurse der Volkshochschule, einer Stadtteilbibliothek, Sozialwohnungen für alleinstehende Frauen sowie „normalem“ Wohnen. Die Drogenberatungsstelle Fixpunkt soll laut Herrmann bleiben, ebenso das von den Johannitern betriebene Flüchtlingsheim. Dafür müsse die ehemalige Schule „aufwändig saniert“ werden. Gelder könne der Bezirk aber erst erschließen, „wenn die Besetzer raus sind“.
Was aus ihnen werden soll, ist ebenso unklar wie die Zukunft anderer Protestler vom Oranienplatz. Rund 100 hatten Kirchengemeinden nach der Räumung untergebracht. Seit drei Jahren verhandeln Kirchenvertreter mit dem Senat über eine Bleiberechtsmöglichkeit für die Männer. Tatsächlich hatte sich der neue Senat im Koalitionsvertrag dazu bekannt, dass man „Bleibeperspektiven auch in bislang ungelösten Fällen ermöglichen“ möchte. Neuigkeiten dazu gibt es – nicht.
Leser*innenkommentare
Stefan Mustermann
Als es noch um Oranienplatz ging.
TAZ: Ein anderes Thema, das den Bezirk seit Monaten bewegt, ist das Flüchtlingscamp auf dem Oranienplatz. Wie lange werden die Flüchtlinge dort bleiben?
Frau Herrmann: Das entscheiden die Flüchtlinge selber. Wir dulden sie.
TAZ: Wäre Ihnen eine Räumung insgeheim vielleicht sogar recht – dann hätten Sie ein Problem weniger?
Frau Herrmann: Nein. Ich teile diesen Kampf sehr. Das Camp ist eine Chance, dass wir uns viel stärker mit dem Thema auseinandersetzen. Es ist ein POLITISCHES MAHNMAL. Sobald das Camp weg ist, wird kein Mensch mehr darüber reden.
TAZ: Wenn geräumt werden sollte, stellen Sie sich dann vor die Flüchtlinge?
Frau Herrmann: Wir werden zumindest deutlich machen, dass es nicht unsere Politik ist. Verhindern können wir es nicht.
Bei der Flüchtlingsschule gibt es keinen Druck mehr seitens Herrn Henkel. Nun ist Frau Herrmann, die Entscheidung trifft.
Was ist mit dem Politischen Mahnmal, Frau Herrmann? Sie können etwas verändern, aber... lieber Koffeeshop?
http://www.taz.de/!5062099/
Im selben Interview wurde über Legalisierung leichter Drogen diskutiert...
Leichte Drogen sind oft Vorstufe zu harten Drogen. Prostitution gibt es oft wegen Drogen. In mehreren Treffen mit Politikern in den vergangenen Jahren wurde das Thema Drogen als ein großes Problem seitens der Bevölkerung thematisiert.
Laufen Sie öfters durch die Straßen in Ihrem Bezirk, Frau Herrmann?
Stefan Mustermann
Die Berliner Woche vom 13.09.2017 auf S. 3 schrieb
Eskalation im Stadtplanungsausschuss. Diskussion um Bauprojekte Blücher- und Ohlauerstraße (Flüchtlingsschule, Anm. d. Verf.) führte zu eklat.
Dort (Projekt Ohlauerstraße, Anm. d. Verf.) gibt es gibt es schon lange KRITIK an der Architektur des „Campus Ohlauer“ genannten geplanten Neubaus. Der Komplex, in den einmal mehr als 400 Menschen wohnen sollen ... sei viel zu massiv, die einzelnen Wohnungen zu klein und das gesamte Vorhaben ohne große Beteiligungsverfahren (Öffentlichkeit, Anwohner, Anm. d. Verf.) durchgepeitscht worden, so die Gegner. Deshalb verlangt auch in diesem Fall ein BVV ANTRAG mögliche ÄNDERUNGEN.
Gefahr oder Chance?
Anscheinen ERFOLGLOS. Vielmehr drohe nach Angaben von Florian Schmidt der Bauherr, die Wohnungsbaugesellschaft Howoge, mit einer AUFGABE. Das wurde von einigen Bezirksverordneten erst recht nicht als Gefahr, sondern eher als Chance aufgefasst. Dann wäre nach ihrer Meinung der Weg vielleicht frei für BESSERE PLANUNGEN.
... auch ein Kitabau im Schatten eines Hochhauses an der Blücherstraße. Schon wegen wenig Licht, Luft und Sonne seien diese Pläne völlig daneben, meinen die Kritiker...
finches
Hausbesetzungen sind per se illegal. Eine Bürgermeisterin ließ sich erpressen, was den Bezirk mal locker 5 Millionen kostete. Nun, nachdem dieser unmögliche Zustand nach fünf Jahren (vielleicht) beendet werden soll, hat Frau Herrmann "wohlwollende Signale" von den Besetzern erhalten. Das ist so irre, dass man es kaum glauben kann. Die AfD muß sich um neue Wählerstimmen keine Sorgen machen, dafür sorgen die ehemals etablierten Parteien.
stadtlandmensch
Es handelt sich nicht um eine Besetzung. Der Bezirk hatte das Gebäude den Bewohnern zur Verfügung gestellt. Irgendwann wurde es dem Bezirk dann zuviel und er versuchte, zunächst ohne (Gericht: die Bewohner leben legal dort), jetzt mit Erfolg per Gericht (die legalen Bewohner könnten nicht dauerhaft weiter dort bleiben) die Bewohner wieder los zu werden.
Eine "illegale" Besetzung war das nie!
Stefan Mustermann
Die Flüchtlinge vom Oranienplatz haben sich sehr gut "integriert". Sie hatten zahlreiche Unterstützer wie bspw. Kotti Co. Und gerade aus diesen Unterstützerkreisen haben die Menschen immer wieder davon gesprochen, dass Herr Schulz, "ein Grüner" der Bezirksbürgermeister war... Herr Schulz wie auch Herr Ströbele hat immer Menschen in den Mittelpunkt gesetzt und keinen im Stich gelassen!
Nun aber hat die Partei im Bezirk deutlich schlechter abgeschnitten als bei der Wahl in das Abgeordnetenhaus. Das kommt nicht von ungefähr!
Dr. McSchreck
Rot-grün im Räumungsfieber? Erst Theatder, dann Schule, die Rigaer Str. sollte vorsichtig sein. Wenn man erst mal in Schwung ist, macht man am besten alles auf einmal.
Ansgar Reb
Die Linken sind eine echte Enttäuschung.
stadtlandmensch
Was die Öffentlichkeit nicht weiß:
Im geräumten Teil der Schule, der nach aufwändigem Umbau und Sanierung in friedlicher Koexistenz mit den verbliebenen ex-Oranienplatzflüchtlingen seit einem Jahr von den Johannitern als Flüchtlingsunterkunft betrieben wird, werden die Geflüchteten auf Basis von der "linken" Sozialsenatorin verantworteten Maßgaben weiterhin mit Fremdverpflegung entmündigt. Man hat vergessen Küchen einzubauen und bemüht sich auch nicht darum, das nachzuholen.
Die Abschreckung und Ausgrenzung Geflüchteter durch Sozialhilfe in Form von Taschengeld und teuerer Fertigpampe statt Autonomie durch Selbstversorgung wird - obwohl Bundesrecht den Vorrang der Selbstversorgung vorsieht oder dem Land zumindest die freie Wahl lässt - aktuell auch in anderen Unterkünften als Konzept der "linken" Sozialsenatorin in Berlin neu eingeführt.