Grüne in Kanada: Rohstoffindustrie wird nervös

Premiere in Nordamerika: In British Columbia hat die Ökopartei Einfluss auf die Regierungsbildung. Und damit auch auf Pipelines und Dämme.

Seeufer am Fuß von Bergen, im Wasser ein Schiff und eine im Bau befindliche Plattform

Dort sollten neue Pipelines entstehen: Kitimat, British Columbia Foto: reuters

VANCOUVER taz | Die Westküstenprovinz British Columbia gehört zu den spektakulärsten Regionen Kanadas. Millionen Touristen aus aller Welt besuchen jedes Jahr die Regenwälder, die Rocky Mountains oder die Inseln im Pazifik.

Doch British Columbia ist nicht nur Touristenziel. Die drittgrößte Provinz des Landes mit der Metropole Vancouver ist auch eine Schlüsselregion für die Rohstoff- und Energie­industrie. Durch British Columbia verlaufen wichtige Öl- und Gas-Pipelines. Auch einige der größten Holz- und Minenkonzerne der Welt sind dort tätig. Unter ihnen herrscht dieser Tage große Nervosität.

Das hat mit den neuen politischen Verhältnissen zu tun. Denn nach 16 Jahren an der Macht haben die als wirtschaftsfreundlich geltenden Liberalen von Premierministerin Christy Clark jetzt ihre Mehrheit verloren. Stattdessen haben die bislang unbedeutenden Grünen den politischen Durchbruch geschafft – und halten die Schlüssel zur Macht in der Hand.

Bei den Provinzwahlen vor zwei Wochen, deren Ergebnisse wegen des knappen Wahlausgangs erst jetzt offiziell bestätigt wurden, verdoppelte die Ökopartei ihren Stimmanteil auf knapp 17 Prozent und schickt künftig drei Abgeordnete ins Parlament nach Victoria. Das ist eine Premiere: Erstmals in Nordamerika brachten die Grünen bei einer Wahl in einem Flächenland in Kanada oder den USA damit gleich mehrere Kandidaten durch.

Weaver, der Erneuerer

Eine beachtliche Leistung, denn in Kanada gilt das reine Mehrheitswahlrecht. Nur die in ihren Wahlkreisen direkt gewählten Kandidaten kommen ins Parlament, was kleine Parteien stark benachteiligt. Die bisher regierenden Liberalen und die oppositionellen Sozialdemokraten stellen zukünftig 43 beziehungsweise 41 Abgeordnete. Wegen des Beinahe-Patts im Parlament wird keine der beiden großen Parteien ohne grüne Stimmen regieren können. Das verleiht den 3 Öko-Abgeordneten großen Einfluss.

So lehnen die Grünen beispielsweise den geplanten Ausbau der umstrittenen Trans-Mountain-Pipeline ab, die kanadisches Erdöl aus dem Landesinneren an den Pazifik bringt. Sowohl die Bundesregierung von Premierminister Justin Trudeau in Ottawa wie auch die bisherige Provinzregierung hatten den Ausbau unterstützt, der den Öltankerverkehr vor den Toren Vancouvers massiv erhöhen würde.

Auch zum bereits begonnenen Bau eines Staudamms im Norden von British Columbia sagen die Grünen Nein. Der Site C Dam ist bei Umweltschützern wegen seiner ökologischen Folgen umstritten. Ureinwohner befürchten, dass Friedhöfe ihrer Ahnen unter Beton begraben werden. Kritisch sehen die Grünen auch den von der bisherigen Regierung forcierten Ausbau der Flüssiggasindustie und die Rodung der pazifischen Regenwälder durch Forstkonzerne.

Der Erfolg der Grünen hat einen Namen: Parteichef Andrew Weaver, 57, arbeitete vor seiner politischen Karriere als international anerkannter Klimaforscher an der University of Victoria. Er wirkte an mehreren Berichten des Weltklimarates mit. Bei der Wahl hatte sich Weaver als Erneuerer präsentiert und versprochen, das verkrustete Zweiparteiensystem in British Columbia aufzubrechen.

Der Parteichef will nun sowohl mit den Liberalen wie auch den Sozialdemokraten über eine Duldung verhandeln. Die Zeiten für die kanadische Rohstoffindustrie werden wohl komplizierter als bisher.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.