piwik no script img

Grüne WocheWer will noch Kartoffeln?

Ab Freitag ist die Grüne Woche für alle geöffnet. Ein zentrales Thema: die Kartoffel. Die wird von Verbrauchern und Brandenburgs Bauern verschmäht.

Dieser Biobauer glaubt an die Kartoffel: Karsten Ellenberg aus der Lueneburger Heide baut über tausend Sorten des Knollengewaechses an Bild: AP

Beginn der Grünen Woche

Zu einer kulinarischen Weltreise lädt ab heute wieder die Internationale Grüne Woche ein. In den Messehallen unterm Funkturm präsentieren 1.610 Aussteller aus 52 Ländern bis 27. Januar ein umfassendes Produkt- und Dienstleistungsangebot aus Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau. Die Ausstellung ist täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet, am "Langen Freitag" (25. Januar) bis 21 Uhr. Die normale Tageskarte kostet 12 Euro. Ermäßigte Tickets für Schüler und Studenten sind für 6 Euro zu haben.

Sie trägt meist süß klingende Mädchennamen, ihre Haut ist aber meisten grob und rau. Immerhin hat sie es geschafft, ganze Länder zu ernähren - doch damit könnte es bald vorbei sein. Denn der Kartoffelanbau in Brandenburg geht immer weiter zurück, ähnlich sieht es in ganz Deutschland aus. Die Vereinten Nationen haben 2008 zum "Internationalen Jahr der Kartoffel" erklärt. Und auch die Grüne Woche, die heute auf dem Messegelände am Funkturm beginnt, widmet sich in einem Schwerpunkt der "wunderbaren Welt der Knolle."

Dabei geht es weniger um die Ernährung der hiesigen Bevölkerung. "Die Kartoffel war während der europäischen Industrialisierung die Nahrungsgrundlage der Bevölkerung und könnte auch heute den weltweiten Hunger stillen und das Einkommen der Bauern absichern", erklärt Christoph Kohlmeyer, Referatsleiter für ländliche Entwicklung und Welternährung beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Das Ministerium beschäftigt sich in seiner Messepräsentation mit der internationalen Karriere der Kartoffel.

Anders die Centrale Marketing-Gesellschaft (CMA). Sie empfängt die Besucher mit einer überdimensionalen Kartoffel und wirbt für die Attraktivität des Erdapfels aus deutschen Landen statt für eine weltweite Hungerbekämpfung. Die Bundesrepublik ist nämlich der sechstgrößte Kartoffelproduzent weltweit und der größte in Westeuropa. Mehr als 11 Millionen Tonnen Kartoffeln sind letztes Jahr auf Deutschlands Feldern geerntet worden, davon stammten etwa 350.000 Tonnen von brandenburgischen Äckern, wie Sabine Sulzer von der CMA mitteilte. Brandenburg steht damit an sechster Stelle in Deutschland.

Dabei ist die "dolle Knolle" in der Region lediglich ein Nischenprodukt, wie aus einem Bericht des Brandenburger Ministeriums für ländliche Entwicklung, Umwelt- und Verbraucherschutz hervorgeht. Auf nur noch 1,25 Prozent der gesamten Ackerfläche würden Kartoffeln angebaut; noch 1990 sind rund 10 Prozent dafür genutzt worden. "Der Kartoffelabsatz ist starken Preisschwankungen unterworfen. Das macht den Anbau im Vergleich zum Getreide unattraktiv für die Landwirte", sagt Andrea Schöne, Referentin für Acker- und Pflanzenbau des Bauernverbandes Brandenburg.

Ein weiterer Grund für den Rückgang der Anbaufläche sind die veränderten Essgewohnheiten. Während 1950 in Deutschland noch etwa 200 Kilo Kartoffeln jährlich pro Kopf verspeist wurden, ist der Verbrauch im Jahr 2007 auf rund 60 Kilo geschrumpft. Sie wurde vor allem durch Nudeln und Reis ersetzt. Immerhin hat laut dem Landwirtschaftsministerium der Verzehr von sogenannten Verarbeitungsprodukten wie Chips oder Pommes Frites zugenommen.

Zusätzlich erschwert der märkische Sandboden den Kartoffelanbau in Brandenburg. Er bringt nur mehlig kochende Kartoffeln hervor. In der Gunst der Verbraucher steht jedoch die festkochende Kartoffel aus den westdeutschen Anbaugebieten deutlich höher. Dieser Konkurrenz hätten viele brandenburgische Landwirte nicht standhalten können und wegen Absatzschwierigkeiten aufgegeben, so der Bericht des brandenburgischen Landwirtschaftsministeriums.

Eine gute Nachricht gibt es aber doch: "Die Menschen der Region halten ihren mehlig kochenden Knollenstars Linda und Adretta die Treue", freut sich Andrea Schöne. Womöglich ist dieser Erfolg auf eine Kampagne der brandenburgischen Argrarmarketing-Gesellschaft ProAgro aus dem Jahr 2006 zurückzuführen. In jenem Jahr wurde die märkische Kartoffel mit einer "Kulinarischen Kartoffeltour" und den Kartoffelwochen intensiv beworben. Der Grund: Damals jährte sich der "Kartoffelbefehl" Friedrichs des Großen zum 250. Mal. Er hatte das einstige Viehfutter als nahrhaftes Grundnahrungsmittel gepriesen und den Anbau im preußischen Raum stark gefördert. An die Bauern wurde Saatgut verteilt. Doch statt die Ernte mit der Stadtbevölkerung zu teilen, gruben die Bauern die gesunden Erdäpfel heimlich aus. Deshalb ließ Friedrich II. die Felder von seinen Soldaten bewachen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!