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Grüne Woche in BerlinBesser essen für das Klima

Die Lebensmittelproduktion, eine Ökosünde: Verseuchtes Wasser und ein Fünftel aller Treibhausgase sind die Folge. Helfen könnte mehr Bio-Landbau.

Die Ähren müssen zur Grünen Woche sitzen. Vor der Messe weisen Verbraucherschützer Umweltprobleme hin. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Lebensmittelbranche ist einer der größten Umweltsünder in Deutschland. Das zeigen Zahlen, die das Umweltbundesamt und der Verbraucherzentrale Bundesverband am Mittwoch vor der weltgrößten Agrarmesse „Grüne Woche“ in Berlin präsentiert haben.

Der Ernährungssektor verursacht – je nach Schätzung – 16 bis 22 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland. Sie entstehen zum Beispiel, wenn Mineraldünger für den Anbau von Pflanzen produziert werden. Auch aus Kühlschränken in Haushalten und Industrie entweichen Klimagase.

Die Nahrungsmittelbranche verunreinigt auch Grundwasser und Gewässer: Mehr als zwei Drittel aller Stickstoffeinträge in Seen und Flüssen kommen aus der Landwirtschaft. Aus dem Stickstoff in den Düngemitteln entsteht Nitrat und schließlich das gesundheitsschädliche Nitrit. Ein Viertel aller Grundwasservorkommen enthält mehr Nitrat als in Trinkwasser erlaubt.

Die Folge: Das Wasser muss aufwendig verdünnt werden, Brunnen müssen verlegt oder aufgegeben werden. „Auswirkungen auf den Wasserpreis sind in Zukunft nicht auszuschließen“, warnt die Verbraucherzentrale.

Die Dünger sind auch maßgeblich dafür verantwortlich, dass die Landwirtschaft Wissenschaftlern zufolge die Hauptschuld am Aussterben von Tier- und Pflanzenarten hat. Stickstoff fördert zum Beispiel im Meer das Wachstum von Algen, die den Lebensraum anderer Arten zerstören.

Dünger sorgt für das Aussterben von Tieren und Pflanzen

Doch ein Großteil der Nahrungsmittel, deren Produktion solche Schäden verursacht, wird gar nicht gegessen – sondern weggeworfen. „In Deutschland werden 11 Millionen Tonnen Lebensmittel im Jahr entsorgt“, berichten Umweltbundesamt und Verbraucherzentrale. Sie fordern, dass Hersteller und Handel klarer unterscheiden zwischen dem Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) und dem Verfallsdatum von Nahrungsmitteln. Viele Produkte sind auch dann noch essbar, wenn das MHD abgelaufen ist.

Um den Ökoschaden durch Lebensmittel zu verringern, müsse die Regierung die Düngeverordnung verschärfen. Das Umweltbundesamt verlangt mit dem Bundesamt für Naturschutz auch, dass Dünger und Pestizide auf einem Teil der Agrarfläche verboten werden – und zwar auf den 5 Prozent, die Bauern nach dem neuen EU-Recht ab 2015 „im Umweltinteresse“ nutzen müssen.

Vor allem aber empfehlen Umweltbundesamt und Verbraucherzentrale mehr ökologischen Landbau. Der „Stickstoffüberschuss ist deutlich geringer, ebenso der Energieeinsatz pro Fläche sowie der CO2-Fußabdruck pro Produkt.“ Da Biobauern weniger Dünger und Pestizide benutzten und mehr Fruchtarten je Fläche anbauten, würden sie zudem dabei helfen, die biologische Vielfalt zu erhalten. Deshalb müsse der Staat Landwirte stärker subventionieren, wenn sie auf „Bio“ umstellen.

Die Branchenorganisation „Die Lebensmittelwirtschaft“ wies die Forderung zurück. „Als Gesellschaft sollten wir nicht eine bestimmte Herstellungsmethode bevorzugen, sondern Alternativen zulassen,“ sagte Geschäftsführer Stephan Becker-Sonnenschein. Vier Prozent Bioprodukte stünden 96 Prozent konventionell hergestellten Produkten gegenüber. Verbesserungen bei den 96 Prozent hätten besonders große Wirkung. Die Wirtschaft selbst habe ein Interesse daran, Ressourcen effizienter einzusetzen.

Die Grüne Woche beginnt am Freitag. Bis 26. Januar werden mehr als 400.000 Besucher erwartet.

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8 Kommentare

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  • G
    gast

    Wenn wir hier mehr Bioanbau wollen, wer soll die Bio Lebensmittel kaufen ??

     

    Werden dann nur Lebensmittel für Reiche bezahlbar sein ??

  • C
    cosmopol

    Spannend zu sehen, wie sehr die Fleischproduktion hier auf einmal ausgeklammert wird. ;) Ist das die Kontinuität zum letzten Artikel? Dabei hat sie doch einen maßgeblichen Anteil an der negativen Umweltbilanz der Nahrungsmittelproduktion. Und auch die Nitrat-Verseuchung verdanken wir der massenhaften Ausbringung von Gülle, primär aus der Intensivtierhaltung.

    Das fiese Problem mit mehr Bio-Anbau spielt da mit hinein: Der braucht auch mehr Fläche für geringeren Ertrag. Wäre mit mehr Fokus auf vegane/vegetarische Ernährung machbar - dann werden nämlich Flächen frei die vorher für Futtermittelanbau draufgingen. Es ließe sich natürlich argumentieren, dass das ja zum Großteil Importware wäre, aber das wäre ein ziemlich nationalchauvinistisches Argument, nicht wahr? Ist ja nicht so, dass die Belastung in den Exportländern geringer wäre, im Gegenteil.

  • Bei der Ökolandwirtschaft muss man aber auch die geringeren Erträge sehen. Und wenn man fair vergleicht, dann vergleicht man 2 Prozesse bei sonst konstanten Umfeld. Das bedeutet für Bio, das gleich viel konsumiert wird; Ergo Bio braucht mehr Fläche. Also Waldrodungen. Vielleicht nicht hier, aber woanders. Nahrungsmittelmärkte sind global. Hiesiger Anbau von Biosprit lässt ja auch die Leute in Ägypten hungern weil wir dadurch mehr Essen aus Brasilien importieren und Ägypten weniger von da importieren kann.

    Wer Flächenproduktivität nicht in die Kalkulation packt, der lügt sich in die Tasche.

    • G
      gast
      @Tim Leuther:

      in Afrika z.B., wo jetzt schon Wälder abgeholzt werden für Bio Anbau aus aller Welt ?

       

      Pestizide müssen geringer verwendet werden, nur ja nicht in Afrika, die Menschen die dort für sehr wenig Geld arbeiten müssen, werden systematisch vergiftet, damit wir hier schöne und vor allem billige Rosen haben.

       

      Afrika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten der Wirtschaftsbosse aus aller Welt können ungehindert treiben was sie wollen, auch den Menschen die Nahrung und Medizin nehmen, indem man ihre Wälder vernichtet.

    • M
      Marvin
      @Tim Leuther:

      und um dem Öko-Lanbau Flächen zur Verfügung stellen zu können, könnte man auch darüber nachdenken, den Ausverkauf brachliegender Flächen auf dem Gebiet der 'neuen' Länder zu Gunsten von Spekulanten gesetzlich zu stoppen.

    • C
      cosmopol
      @Tim Leuther:

      Möglichkeit den Flächenverbrauch drastisch zu reduzieren: Dasselbe mit dem Konsum von Tierprodukten machen und die dadurch frei werdenen Agrarflächen, auf denen zuvor Futtermittelanbau betrieben wurde, neu bepflanzen. Damit der Boden sich regenerieren kann auf Monokultur verzichten. Also Bio, möglichst vegan und Permakultur.

    • M
      Marius
      @Tim Leuther:

      Dem möchte ich unbedingt zustimmen, aber nur noch eins hinzufügen: Eine Ausweitung des Biolandbaus zu Lasten der "konventionellen" Agrarwirtschaft ist nötig, aber wenn das aufgrund des erhöhten Flächenbedarfs zu Problemen führt, könnte man drüber nachdenken Flächen für Futtermittel umzuwidmen.

      • @Marius:

        @Marius, @Cosmopol

        Genau das ist eben nicht lauter! Einfach die geringeren Ernten der auf bestimmte Agarartechologien verzichteden Landwirtschaft (Bio) dadurch wegzudiskutieren mit dem Hinweis man könnte den Fleischkonsum reduzieren. Das ist schlichtweg keine Aufrichtige Position! Das ist wie den Leuten zu sagen, sie sollen SUVs fahren, und das kompensieren indem Sie weniger rasen. Der Druck Agrarflächen zu erweitern nimmt eben durch Bio UND durch Fleischkonsum zu. Für die Welternährungssicherheit sind Bio, Fleischkonsum und Biosprit alles belastende Faktoren. Die verquickung des einen mit dem anderen ist nicht zulässig. JA, jemand der Bio isst, kann dieses Asoziale verhalten damit rechtfertigen, das er auf Fleisch verzichtet, aber nicht beides als Pluspunkt aufführen.

         

        Jemand der einen SUV hat, kann das genauso rechtfertigen damit das er auf der Autobahn den Tempomat auf 90km/h stellt.