Grüne Woche in Berlin: Köstlichkeiten aus Lugansk
Am Anfang gibt es Fisch, später Schinkenbrote – und nirgends die tolle ungarische Paprikapaste von vor 14 Jahren, als unser Autor zum letzten Mal die Grüne Woche besuchte.
Den Tag, als ich zum letzten Mal bei der Grünen Woche war, habe ich immer noch gut im Kopf. Der kulinarische Höhepunkt jenes Besuchs vor 14 Jahren war eine Paprikapaste aus Ungarn, die wirklich fantastisch war. Sie gefiel mir umso besser, als dass ich sie später nie mehr gesehen habe. Eigentlich genügt mir nämlich meist die Erinnerung an ein schönes Essen. Ich muss es nicht unbedingt wiederholen.
Die U-Bahn-Fahrt zur Messe ist ein großer Spaß. Die Frauen am Eingang sind nett. Da ich Orientierungslegastheniker bin, mache ich mir keinen Plan, sondern gehe einfach nur so drauflos durch die Hallen. Am Anfang gibt es Fisch. Der Stand heißt „Fisch-Informationszentrum“. Es gibt Seelachs mit Brötchen und Dip. Die Soße ist okay; der Fisch schmeckt nach nichts, ist aber hilfreich, da ich heute noch nichts gegessen habe.
Besonders voll ist die Grüne Woche nicht. Aber auch nicht so leer. Manche haben weiße Hemden an oder machen schmutzige Witze. Wenn welche vorbeigehen, dann pärchenweise. Über den Köpfen schweben aufblasbare Kühe, auf denen steht: „ein gutes Stück Heimat“ und „Ursprung ist Heimat“.
In einer Halle sieht alles eher süddeutsch beziehungsweise österreichisch aus. Manche Leute tragen Lederhosen. Überall gibt es auch Marktschreiber, wenig später stolpert man ständig über Gartenbedarf. Ein Mann führt neu erfundene Biofensterputztücher vor, die keine Schlieren machen. Ein paar Meter weiter geschieht das Gleiche; nur sind die Tücher diesmal nicht aus Bio.
Plötzlich bin ich in der Blumenhalle. Sie sieht sehr bunt und idyllisch aus. Ein bisschen wie bei den Teletubbies. Ganz weich geht man auf Waldbodenimitat. Manche haben Nordic-Walking-Stöcke mitgebracht. Ich bin hungrig. Passenderweise stehe ich vor einem litauischen Stand und eine nette Standmitarbeiterin erklärt mir die Vorzüge verschiedener Käsesorten. Immer wieder erwähnt sie Kristalle. Der Käse schmeckt sehr gut und ich kaufe eine Packung. Die Halle ist etwas überhitzt. Außerdem machen Leute in komischen Trachten Musik und tanzen dazu.
Bei der Eröffnung hatte Bürgermeister Müller noch Litauen als Gastgeberland bezeichnet, obgleich in Wirklichkeit Lettland die Geburtstagsprinzessin der Grünen Woche ist.
Portugal ist auch nicht weit. Hier gibt es Schinkenbrote mit Zwieback – eine pfiffige Idee. Dazu passt sehr gut auch das norwegische Aquavit-Eis – herrlich! Am ungarischen Stand probiere ich alle Paprikapasten durch. Leider schmeckt keine von ihnen so gut wie die vor 14 Jahren. Vielleicht sind meine Geschmacksnerven aber auch mittlerweile veraltet.
Wenig später, in Rumänien, gibt es einen hervorragenden Saft aus Apfel, Sanddorn und Honig; das erste große Highlight meiner Grünen Woche. Auch der Palinkaschnaps ist großartig und knallt gut.
Eine Männergruppe sitzt trinkend an Tischen. Auf ihren T-Shirts steht „Reisegruppe Unbeliebt“. Sie gucken tatsächlich etwas grimmig.
Vergeblich suche ich im sonnigen Italien nach Aprikoseneis. Peru imponiert mit einer Strandbar, eine bulgarische Tanzgruppe hüpft durch die Gegend, in Marokko gibt es „Arganöl für Schönheit“ und bei den Thais kann man sich sogar massieren lassen.
An einem kleinen japanischen Stand gibt es grünen Tee. Ich habe Lust, welchen zu kaufen, und möchte mich diesbezüglich beraten lassen. Am liebsten würde ich den Leuten am Stand auch erzählen, wie ich als Teenager lernte, grünen Tee zu lieben. Dass der ältere Herr an dem Stand nicht versteht, was ich möchte, gefällt mir gut. Später lässt er sich mit einer Standbesucherin fotografieren. Und ich kaufe mir bei seiner Kollegin 50 Gramm Sencha-Tee.
Erst auf dem Rückweg komme ich bei Köstlichkeiten aus Lugansk und bei der Donezker Fleischtheke vorbei. Hier gibt es unter anderem „Schaschlik“, mein Lieblingsessen. Leider habe ich jetzt gar keinen Hunger mehr.
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