Grüne Verkehrspolitik: Radeln auch bei Rot
Ein grünes Bundestagsmitglied aus München bekommt viel Aufmerksamkeit für eine Idee, die im November schon sein Berliner Parteifreund Stefan Gelbhaar hatte.
Sat1 berichtet, der Bayerische Rundfunk, Bild, N24, die Huffington Post.Stefan Gelbhaar müsste eigentlich sauer sein. Denn was an diesem Mittwoch großes Thema ist, hat der hiesige Grünen-Verkehrsexperte schon im November im Abgeordnetenhaus vorgeschlagen: dass Radfahrer offiziell über rote Ampeln fahren dürfen.
Mit dieser Forderung ist jetzt aber der grüne Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek aus München in all diesen Medien zitiert.„Ich bin da gar nicht sauer, ich habe das anstoßen dürfen, und jetzt ist es da, wo es hingehört, auf Bundesebene“, reagierte Gelbhaar am Mittwoch. Schon sehr selbstlos. Denn möglicherweise hätte auch sein Antrag vom November weit größere Resonanz gefunden – die Debatte im Parlament dazu war jedenfalls lebhaft.
Zu seinem Pech aber war es jene Plenarsitzung, zu deren Beginn Regierungschef Müller seine Ruckrede über die katastrophalen Zuständen in Sachen Lageso und Flüchtlingsversorgung hielt, die alles andere in den Hintergrund drängte.
Genau betrachtet, sollte es bei Gelbhaars „Rot“-Revision erst mal um ein Berliner Pilotprojekt gehen. Vorbilder gibt es natürlich schon: in den USA im Bundesstaat Idaho, weshalb das Ganze auch Idaho-Regelung heißt. Doch auch in Paris sei das ausprobiert, ohne dass es zu einer Unfallhäufung gekommen sein soll.
„Rot“ für Radler soll auch nicht überall passé sein, sondern nur da, wo Kreuzungen gut zu überblicken und nicht zu groß sind. Neue Schilder würden darauf hinweisen. Am Alex etwa kommt für Gelbhaar fast keine Kreuzung infrage. Radler sollen bei Rot wie an einem Stoppschild anhalten müssen und gucken, ob der Weg frei ist.
Und Kinder? Können die das richtig einschätzen? Da müht man sich als Elternteil ewig, den Unterschied zwischen Rot und Grün einzuimpfen, und nun das. Gelbhaar sieht da kein Problem: Die hätten mit der neuen „Rot“-Regel nichts zu tun, weil sie sowieso auf dem Gehweg fahren dürfen.
Hmm, und was ist mit Kindern über 10 Jahre, die das nicht mehr dürfen? Ganz entkräften kann Gelbhaar die Bedenken nicht. Im Parlament blieb sein Antrag im Bauausschuss hängen und wird vor der Wahl kaum noch entschieden – mit der Wahl verfällt er. Die Polizeigewerkschaft beurteilt die Idee übrigens so: ,„Gefährlicher Unsinn.“
Leser*innenkommentare
Konrad Ohneland
Die "Deutsche Polizeigewerkschaft" ist nur eine Polizistengewerkschaft ist nur eine von mehreren Gewerkschaften für Polizeibeamte und ihr Vorsitzender Wendt lässt keine Gelegenheit aus, seine kruden Vorstellungen unters Volk zu bringen. Der Mann würde selbst einen Wetterbericht mit dem Ruf nach schärferen Gesetzen kommentieren. Warum die taz ihm immer wieder ein Forum bietet, erschliesst sich mir nicht ganz.
34420 (Profil gelöscht)
Gast
In Berlin fahren allermindestens schon jetzt ca. 20-30% der Radfahrer sehr aggressiv. Gegenüber Fußgängern, gegenüber anderen Radlern. Ich würde so übern Daumen schätzen, dass erheblich mehr als 50% sich nur hin und wieder an die StVO halten. Auf Fußwegen, gegen Einbahnstraßen, rote Ampeln usw. Übrigens könnten so manche auch mal darüber nachdenken, ob ein Überholungssicherheitsabstand auch für überholende Radler sinnvoll ist.
Ich glaube, so manche kennen nicht mal die elementarsten Verkehrsregeln. Also z.B.:gleichrangige Straße und drei Fahrzeuge - Wer hat Vorfahrt?
Oder mein Favorit:Man überholt jemand. Dessen Kette knirscht, Bleche klappern. Der Sinn der Gangschaltung wurde offensichtlich nicht verstanden, extrem langsam. Man reiht sich an der nächsten roten Ampel brav hinten ein und kann darauf wetten, dass das Quietschen und Klappern links vorbeischnauft. Bis vor an die Ampel. Dort musste dann bis weit über die Grünphase ziemlich querstehend telefoniert werden. Schön(?), wenn Mensch so in sich ruhen.
Sollte die rote Ampel für Radler freigegeben werden, so wird es schon sehr bald die erwartbaren Unfälle geben. Und dann wird wieder palavert.
33293 (Profil gelöscht)
Gast
Gute Idee!
Gefährlicher Unsinn ist, dass in Deutschland Autos bei Abbiegen über einen Fußgängerüberweg Grün haben können, die Fußgänger haben auch Grün. Gibt es, glaube ich in keinem anderen Land.
Da könnte die Polzeigewerkschaft mal aktiv werden.
the real günni
die polizei wuerde ein gutes daran tun, einen sprecher zu engagieren, der sich erstmal die sache anhoert und sich saetze wie ´gefaehrlicher unsinn´ spart. weil es weder gefaehrlich noch unsinn ist, da jede kreuzung quasi gefaehrlich ist, ob nun mit oder ohne ampel, das ganze in verschiedenen staedten europas bestens funktioniert und somit die polizei in der oeffentlichkeit als beratungsresistente hinterwaeldler mit begrenztem IQ erscheinen laesst. nicht gut.
Da Hias
In der Münchner Lokaljournaille wird der Vorschlag auch schon hitzig diskutiert. Der Großteil der empörungsschäumenden Kommentatoren kommt beim Lesen (von Verstehen ganz zu schweigen) offensichtlich über die zumeist reisserisch-vereinfachende Schlagzeile der Artikel nicht hinaus.
Und so kommt beim gesunden Volksempfinden vor allem die Botschaft an, daß nun alle Radler immer und überall, auch voll in die dreispurige Kreuzung nach Lust und Laune voll chaotisch über rot fahren dürfen sollen.