Grüne Mode: Raus aus der Nische
Bei der Green-Fashion-Messe "The Key to Shift" präsentieren sich diese Woche Ökolabels aus der ganzen Welt. Sie wollen die Branche umkrempeln.
Die Berliner Fashion Week wird öko - jedenfalls ein bisschen. Parallel zu den großen Fachmessen und Modeschauen findet bereits zum zweiten Mal eine Messe für grüne Mode statt. Das Event in der Kreuzberger Heeresbäckerei ist eine Plattform mit dem sperrigen Namen "the key to" für Modelabels, Hersteller und Vermarkter von nachhaltiger Kleidung. Mehr als 50 Labels werden in der Heeresbäckerei vertreten sein, darunter 26 aus Deutschland.
Das Motto der Öko-Modemesse heißt diesmal "shift" - also Umbruch. Die Initiatoren haben sich nichts Geringeres vorgenommen, als die Branche umzukrempeln. "Die Modebranche ist eine der größten Industrien der Welt, sie kann viel bewegen", sagt Messesprecherin Manuela Castiglione. Bis jetzt allerdings wird das Gros der Kleidung von unterbezahlten Arbeitskräften in Billiglohnländern hergestellt und mit giftigen Färbemitteln bearbeitet. "The key to" will das ändern. "Noch ist Green Fashion nur eine Minderheit im Business", sagt der holländische Messe-Gründer Frans Prins. "Aber wir bewegen uns raus aus der Nische." Weltweit, so schätzt er, gibt es rund 2.000 "grüne" Modemarken. Auch große Ketten wie C&A haben Öko-Kollektionen in ihr Sortiment aufgenommen. Laut einer Studie der Organisation Organic Exchange ist der Anteil von Biobaumwolle an der Gesamtproduktion in den letzten fünf Jahren von unter 1 Prozent auf 5 Prozent gestiegen.
Grüne Mode soll massentauglich werden. Deshalb stellen die Ökomode-Enthusiasten in Berlin aus, da dort die meisten Vertreter der anvisierten Lohas-Zielgruppe leben. Wer einen "Lifestyle of Health and Sustainability" - abgekürzt eben Lohas - pflegt, legt nicht nur Wert auf gesundes Essen und fair gehandelten Kaffee, sondern auch auf Klamotten, die weder Menschen noch Umwelt ausbeuten.
Eine dieser Lohas ist Ursula Avalos. Der 32-jährigen Schulbuchredakteurin ist Umweltbewusstsein beim Konsum wichtig. Doch sie fand keinen Laden, in dem sie sich mit ausschließlich ökologisch und fair produzierter Mode eindecken konnte. Die Baumwollstrumpfhosen gab es im Ökoladen, einzelne Kleidungsstücke über Boutiquen in der ganzen Stadt verteilt. Also eröffnete Avalos 2009 ihren eigenen Laden, der inzwischen einer von vier "Green Fashion"-Läden in Berlin ist. Bei "Grünwest" im Kreuzberger Bergmannkiez gibt es ausschließlich zertifizierte Kleidung.
Bei der Auswahl ihrer Ware lässt sich Avalos von Empfehlungen der Umweltorganisation Greenpeace und dem weltweiten Qualitätssiegel "Global Organic Textile Standards (GOTS)" leiten. Ihre Linie ist dabei kompromisslos, ein bisschen grün reicht ihr nicht: "Ich frage bei einem Label immer als Erstes nach der Zertifizierung. Wer keine hat, kommt nicht in meinen Laden." Nur elf Marken aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien genügten bisher ihren Ansprüchen. Denn die Kleidung soll nicht nur "sauber" sein, sondern auch gut aussehen. Schließlich besteht Avalos Stammkundschaft vor allem aus berufstätigen Frauen, die keine Lust auf Öko- oder Ethno-Look haben. Für viele ist Ökokleidung kein Muss - aber ein zusätzliches Plus, um noch mehr Freude an einem neugekauften Kleidungsstück zu haben.
Um zu vermeiden, dass konventionell produzierende Firmen sich mittels "Greenwashing" als Nachhaltigkeitsfreunde vermarkten, sind auch bei der Messe die Kriterien streng. Zugelassen werden Marken, die mindestens 70 Prozent ihrer Produktion nach ökologischen Standards ressourcenschonend herstellen und bei den Produktionsbedingungen auf gute Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung Wert legen. Optional können sich Firmen obendrein als CO2-schonend, abfallvermeidend oder besonders transparent listen lassen.
Dass Green Fashion dieses Jahr von Neukölln in die Kreuzberger Heeresbäckerei und damit mehr ins Zentrum des Messegeschehens gerückt ist, zeigt, wie groß ihr Stellenwert inzwischen ist. "Die Nachfrage nach grüner Mode steigt stetig. Die Wirtschaftskrise hat zudem dazu beigetragen, dass sich immer mehr Produzenten über Nachhaltigkeit definieren", sagt Sprecherin Castiglione. Vielleicht wird es Zeit, aus der Mercedes Benz Fashion Week eine "Smart Fashion Week" zu machen.
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