Grüne Bundestagsfraktion: Postengeschacher mit Vielfachquoten
Jüngere Grüne forderten eine personelle Erneuerung der grünen Fraktion. Spannung verspricht vor allem die Auseinandersetzung zwischen Fritz Kuhn und Gerhard Schick.

BERLIN taz | Natürlich sei es wichtig, mit neuen Gesichtern in die neue Legislaturperiode zu gehen, sagt Omid Nouripour. "Aber doch nicht mit dem Argument ,Die Generation Rot-Grün muss weg', das ist doch unmöglich, das ist unsolidarisch!", schimpft der 34-jährige Grünen-Abgeordnete aus Hessen.
Für einige Erregung in grünen Reihen hat der Vorstoß des Grünen-Nachwuchses gesorgt, wonach in der neuen Fraktion den jüngeren Abgeordneten mehrere Vizefraktionsvorsitze gesichert werden müssten. Der Parteirats-Junggrüne Arvid Bell formulierte, es dürfte nicht sein, dass sich "nur wieder die alte rot-grüne Garde gegenseitig mit Posten versorgt" (taz 2. 10. 2009).
Dies war eine Anspielung insbesondere auf die Personalie Fritz Kuhn. Denn der bisherige Fraktionschef soll in der Fraktionssitzung am Dienstag durch den Ex-Spitzenkandidaten Jürgen Trittin abgelöst werden. Stattdessen soll Kuhn in den Vizefraktionsvorsitz - als Koordinator des Arbeitskreises Wirtschaft und Soziales.
Diesen Job möchte aber auch der Finanzpolitiker Gerhard Schick haben. Schick, der sich in der Finanzkrise als neuer grüner Experte profilieren konnte, wird von vielen Linken und einigen flügelungebundenen Fraktionsneulingen unterstützt.
Doch gibt es noch vier weitere Vizefraktionsposten sowie die parlamentarische Geschäftsführung und nicht zuletzt den Grünen-Sessel im Bundestagspräsidium zu besetzen. Neben irgendeinem Zugeständnis an Jugend und/oder Neulinge müssen die Grünen dabei sowohl die Geschlechter- als auch die Flügelarithmetik bedienen. Das wird kompliziert. Grüne mit Erfahrung in Postenvergabe raunen von einem "Gesamttableau, das stimmen muss".
Nouripour zum Beispiel konkurriert mit Frithjof Schmidt um den Vorsitz des Außenpolitik-Arbeitskreises. Der ist anders als Nouripour zwar ganz neu im Bundestag, ist biologisch wie politisch als Ex-Grünen-Landeschef und Ex-Europapolitiker aber "älter". Um den Vorsitz des Bildungs-Arbeitskreises konkurrieren Ekin Deligöz und Krista Sager. Deligöz ist zwar jünger als Sager, war aber vier rot-grüne Jahre länger im Bundestag.
Weil also das Argument des Generationenwechsels viele solcher Überkreuzungen aufwirft, argumentiert Nouripour: "Es gibt eine Sehnsucht nach personeller Erneuerung." Doch mit der Abgrenzung vom rot-grünen Erbe "ruiniert man nicht nur deren Chancen, sondern verwirrt auch die Wähler, denen gegenüber man bis vor acht Tagen noch Rot-Grün verteidigt hat".
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links