■ Grüne: Befristeter oder bedingungsloser Stopp der Luftangriffe?: Wortradikalismen und die Folgen
Der diplomatische Erfolg von Außenminister Joschka Fischer hätte sich kaum nachhaltiger beschädigen lassen als durch den Nato-Angriff auf die chinesische Botschaft in Belgrad. Es gehört zu den Eigengesetzlichkeiten eines Krieges, daß Handlungen Folgen haben können, die nicht im Interesse der Handelnden liegen. Aber nicht nur Kriege folgen ihren eigenen, fatalen Gesetzen. Interne Debatten tun das auch.
Niemand rechnet damit, daß der bevorstehende Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen den Kurs der Nato kritiklos bestätigen wird. Es zeichnet sich ab, daß der Streit um die Frage gehen wird, ob die Partei einen bedingungslosen Stopp der Luftangriffe oder lediglich eine einseitige befristete Waffenruhe für die humanitäre Versorgung von Binnenflüchtlingen im Kosovo fordern soll. Das ist eine rein virtuelle Diskussion. Sie ist unpolitisch. Vom Ende her gedacht, muß es den Kriegsgegnern bei den Grünen um zwei Ziele gehen: um ein Ende der Bombardierungen und um eine verbindliche Festlegung der Partei, daß sie militärische Angriffe für ein ungeeignetes Mittel zur Durchsetzung von Menschenrechten hält.
Alle Erfahrung spricht dagegen, daß die Nato nach dem Ende einer befristeten Feuerpause die Bombardierungen wiederaufnehmen würde, zumal die Zahl der Kriegsgegner in den Mitgliedsländern fast täglich steigt. Aber das Militärbündnis kann nicht öffentlich zusagen, die Angriffe bedingungslos zu beenden. Zu groß wäre der Ansehensverlust, zu weitreichend wären die politischen Folgen. Dieses Argument hat nichts mit zynischem Opportunismus zu tun. Je dramatischer ein Konflikt sich zugespitzt hat, desto wichtiger ist es, daß alle Beteiligten am Ende ihr Gesicht wahren können. Die Verhandlungen mit Jugoslawiens Präsident Slobodan Miloevic vor Beginn der Luftschläge krankten ja genau daran, daß dieser Grundsatz nicht ausreichend berücksichtigt worden ist.
Die Kriegsgegner in den Reihen von Bündnis 90/Die Grünen können den Befürwortern der Luftschläge keinen größeren Gefallen tun, als den bedingungslosen Stopp der Luftangriffe zu fordern. Wird der Antrag abgelehnt, dann steht diese Nachricht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Dabei entspricht auch die Forderung nach einem einseitigen Waffenstillstand bisher keineswegs der Linie der Bundesregierung. Wer wirklich einen Kurswechsel will, darf die Chance darauf jetzt nicht mit Wortradikalismus verspielen. Bettina Gaus
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