Grün-Rot in Baden-Württemberg: Meilenstein für Homopolitik
Ehen auf dem Standesamt, Gleichstellung für Beamte, Aufklärung in der Schule. Grün-Rot holt für Schwule und Lesben nach, was die CDU versäumt hat.
BERLIN taz | Den Christopher Street Day (CSD) hatte er als "abstoßend", als "frivole, karnevaleske Zurschaustellung sexueller Neigungen" bezeichnet. Ein Grußwort verweigerte er stets. Baden-Württembergs ehemaliger Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) gilt in der Community als "Homofeind". Seine Politik, wie die seiner konservativen Amtsvorgänger, bestätigte dieses Urteil.
Denn politisch werden Lesben und Schwule in Baden-Württemberg seit Jahrzehnten diskriminiert. Wollen sie heiraten, müssen sie dafür in die Kfz-Zulassungsstelle. Bis zu 300 Euro kostet das, heterosexuelle Paare müssen nur 40 Euro zahlen. Beamte, die in gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft leben, haben keinen Anspruch auf Familienzuschlag, Sonderurlaub oder Hinterbliebenenversorgung. Baden-Württemberg ist damit Schlusslicht, was die Gleichstellung von Homosexuellen angeht.
Die künftige grün-rote Regierung will das ändern. In ihrem Koalitionsvertrag hat sie Schwulen und Lesben einen eigenen Abschnitt gewidmet.
"Wir werden im gesamten Landesrecht dafür sorgen, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft im vollen Umfang mit der Ehe gleichgestellt wird", lautet der zentrale Satz im Vertrag. Künftig sollen gleichgeschlechtliche Paare auf dem Standesamt heiraten dürfen wie überall sonst in Deutschland auch und zu den gleichen Gebühren wie Heteropaare. "Ich gehe davon aus, dass die Novellierung des Personenstandrechts eines der ersten Gesetze sein wird, die das Innenministerium auf den Weg bringen wird", sagte Brigitte Lösch, Sprecherin für Schwulen- und Lesbenpolitik der grünen Landtagsfraktion, gegenüber der taz.
Änderungen im Beamtenrecht
Im Beamtenrecht sollen Schwule und Lesben bei Bezahlung und Versorgung Heteropaaren gleichgestellt werden. Bundesweit will sich Grün-Rot für die Gleichstellung von Homosexuellen einsetzen, im "Steuer- und Adoptionsrecht" etwa. Des Weiteren hat die Regierung erklärt, sich für die Einführung der "sexuellen Identität" in Artikel 3 des Grundgesetzes stark machen zu wollen. Nach Ländern wie Berlin, Bremen und Hamburg würde demnach ein weiteres, deutlich einflussreicheres Land eine derartige Initiative unterstützten. Wobei die Erfolgsausichten angesichts der notwendigen Zweidrittelmehrheit in Bundesrat und Bundestag zunächst gering sind.
"Das ist ein Meilenstein für Baden-Württemberg. Wir begrüßen es, dass Schwule und Lesben überhaupt positiv im Koalitionsvertrag erwähnt werden", kommentiert Christoph Michl die neuen Wege in der Homopolitik. Michl, der den CSD in Stuttgart organisiert und den gleichnamigen Verein leitet, warnt zugleich vor zu viel Euphorie. "Es sind noch Absichtserklärungen. Wir werden genau hinsehen, ob daraus zeitnah Gesetze werden."
Einen weiteren Schwerpunkt legt Grün-Rot auf die Sensibilisierung und Aufklärung über Homosexualität - insbesondere an Schulen. Bisher wird das Thema nur im Biologieunterricht behandelt, reduziert auf den sexuellen Akt. "Gleichgeschlechtliche Lebensweisen müssen verbindlich im Unterricht vorkommen", sagte die Grüne Lösch. Dazu müsse auch die Lehrerbildung verbessert werden.
Noch so fortschrittliche und längst überfällige Reformen können aber nicht die Einstellung der Menschen ändern. "Die größte Aufgabe der Homopolitik wird jetzt sein, die Bevölkerung mitzunehmen", sagt Christoph Michl. Besonders in ländlichen Gebieten müssten die Menschen für Toleranz gegen Homosexuelle sensibilisiert werden.
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