Großprojekt Verwaltungstreform: „Kultur des Misstrauens“
Bei einer Anhörung im Abgeordnetenhaus beschreiben zwei führende Verwaltungskenner eine Abschottungsmentalität bei den fast 150.000 Beschäftigten.

Der Senat hatte den Entwurf der für eine Reform nötigen Gesetzesänderungen Anfang April beschlossen, am 10. April diskutierte das Parlament erstmals darüber. Seither aber ruhte der Parlamentsbetrieb wegen der Feiertage an Donnerstagen, dem Sitzungstag des Plenums.
Bei der Reform geht es im Kern um das, was in Berlin seit Jahren „Behörden-Pingpong“ heißt: ungeklärte Zuständigkeiten vor allem zwischen Bezirken und Senatsverwaltungen. Im Großen zogen sich deshalb Wohnungsbauprojekte und auch Wirtschaftsansiedlungen über Jahre hin oder scheiterten sogar. Im Kleinen verzweifelten Bürger, die keinen Ansprechpartner für ihre Anliegen fanden.
Das zu ändern gab es seit über zwei Jahrzehnten Anläufe, die jedoch versandeten. In der 2023 vereinbarten schwarz-roten Koalition aber schaffte es Regierungschef Kai Wegner (CDU), alle Bezirksbürgermeister und die Führung von Grünen- und Linksfraktion von einem gemeinsamen Vorgehen zu überzeugen. Auf Stimmen von Oppositionsabgeordneten ist Wegner angewiesen, um die Reform in der Verfassung verankern zu können – dazu braucht es eine Zweidrittelmehrheit im Parlament.
Bislang ungehörte Einblicke
All das fassten Wegner und seine für die Reform gelobte Staatssekretärin Martina Klement (CSU) am Mittwoch nochmals zusammen. Gänzlich neu an dieser Stelle aber waren die Zustandsbeschreibungen der Personalratschefin Ortmann und des Bezirksbürgermeisters von Lichtenberg, Michael Schäfer (CDU). Ortmann drängte darauf, den für den 10. Juli im Parlament erwarteten Gesetzesbeschluss nicht als Abschluss einer Verwaltungsreform zu betrachten – das sei „der Startschuss, nicht der Schlusspunkt“.
Denn um das Vereinbarte umzusetzen, brauchte es nach ihren Worten einen Kulturwechsel, den auch Staatssekretärin Klement forderte. Die Beschäftigten seien es bislang gewohnt, „in Abgrenzung zu anderen Referaten und Häusern zu denken“, sagte Ortmann. Bürgermeister Schäfer teilte diese Ansicht und stellte ein „Silodenken“ fest – „es denkt jedes Amt für sich, auch jede Senatsverwaltung“.
Das war offenbar auch langjährigen Parlamentariern nicht bewusst. SPD-Chefhaushälter Torsten Schneider etwa, seit 2006 Mitglied des Abgeordnetenhauses und mit allen zentralen Abläufen im politischen Berlin eng vertraut, bekannte: „Das habe ich in dieser Klarheit so noch nicht gehört.“
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