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GroßbritannienStarmer-Rivalin Lucy Powell wird dessen Stellvertreterin

Die Labour Party in Großbritannien hat eine neue Vizechefin. Lucy Powell gehört in der Partei dem linken Flügel an – sie will einen Kurswechsel.

Die neue Labour-Vize Lucy Powell soll kein Blatt vor den Mund nehmen Foto: Phil Noble/reuters

Lucy Powell, Unterhausabgeordnete für Manchester Central, ist seit Samstag das zweitmächtigste Mitglied der britischen Labour-Partei. Die Ge­nos­s:in­nen krönten die 51-Jährige mit 54 Prozent der abgegebenen Stimmen zur neuen stellvertretenden Parteichefin. Ihre von Starmer favorisierte Gegenkandidatin, Bildungsministerin Bridget Phillipson, unterlag – allerdings bei einer Wahlbeteiligung von nur 16,6 Prozent der 970.642 Wahlberechtigten.

Zur Wahl kam es durch den Rücktritt ihrer Vorgängerin Angela Rayner Anfang September, die wegen Steuerhinterziehung aufflog. Rayner war zugleich stellvertretende Parteichefin und stellvertretende Premierministerin gewesen, jetzt sind die beiden Ämter getrennt.

Bei der Kabinettsumbildung nach Rayners Rücktritt verlor Powell ihr Ministeramt – sie war als „Leader of the Commons“ die Schaltstelle zwischen Regierung und Parlament. Nun hat sich die langjährige Abgeordnete, die seit 2012 im Unterhaus sitzt und zu den Schattenkabinetten sowohl Ed Milibands als auch Jeremy Corbyns gehörte, revanchiert.

Im parteiinternen Wahlkampf galt sie als Kandidatin des linken Flügels, obwohl sie schon ein Jahr nach Corbyns Übernahme der Parteiführung aus dessen Schattenkabinett mit schwerer Kritik zurücktrat und seit 2020 verschiedene Aufgaben in Starmers Schattenkabinett innehatte.

Kritik an Parteisuspendierungen

Powell, heißt es, nimmt kein Blatt vor den Mund, zuletzt angeblich auch nicht im Austausch mit Starmers Stabschef Morgan McSweeney. Sie kritisierte Parteisuspendierungen von Abgeordneten des linken Flügels, die eine sozialere Politik forderten. Die Partei müsste bei solchen Fragen eine erkennbare Position als Labour behalten, sagte sie. Während ihrer Kampagne versprach sie, besser auf Parteimitglieder zu hören.

Powell, eine mit einem Arzt verheiratete Mutter zweier Kinder und Stiefmutter eines weiteren, wuchs in Didsbury auf, einem einst verarmten und heute regenerierten Teil Manchesters. Die 1974 geborene studierte Chemikerin wurde bereits mit 15 Jahren Labour-Mitglied und war ab den 1990er Jahren im Parteiapparat aktiv, unter anderem als Ed Milibands Wahlkampfchefin 2015.

Einen Tag nach ihrem Kabinettsrauswurf durch Keir Starmer gründete sie mit anderen, darunter auch mit dem als möglicher Rivale Starmers gehandelten Manchester-Oberbürgermeister Andy Burnham, die neue parteiinterne Gruppe „Mainstream“. Dabei ging es um einen Labour-Wertekonsens, als Versuch der Gegenposition zu Starmers Führungsstil.

In ihrer Antrittsrede nach ihrer Wahl am Samstag sagte Powell, es dürfe für Labour nicht darum gehen, „Reform UK“ zu überbieten – eine Partei, die alle Probleme auf die Einwanderung schiebe. Sie sprach von einem Überlebenskampf des Landes und seiner Demokratie. Labour müsse kühner sein, denn es gebe nur diese eine Chance, zu beweisen, dass progressive Politik wirkliche Veränderung liefern könnte.

Der von ihr angesteuerte parteiliche Kulturwechsel bestehe aus kollektiver Sinnstiftung und einer Kultur des Debattierens und Zuhörens statt kommandierender Kontrolle von oben, was viele Starmer und seinem Führungszirkel vorwerfen. Dabei zitierte sie dann noch den einen Labour-Slogan, den sowohl Tony Blair als auch Jeremy Corbyn seinerzeit als politisches Bekenntnis benutzt haben: „For the many, not the few“ – für die vielen, nicht die wenigen.

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3 Kommentare

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  • Während sich Labour gerne selber ein Bein stellt, bleibt die deutsche Sozialdemokratie mittlerweile lieber gleich auf ihren Knien. Immerhin die Briten schaffen es immer wieder Personal hervorzubringen, dass bei den Menschen Hoffnung aufkeimen lässt. Vielleicht hält die Entwicklung auf der Insel dieses Mal lange genug, dass sich die SPD mal ein Beispiel nehmen kann, denn auch hierzulande sollte sie mal über Werte sprechen.

    • @NurFürDieKommentareHier:

      Naja, die Sozialdemokraten des letzten Kabinetts waren wenigstens mehrheitlich technisch gute Profis: Hubertus Heil und Pistorius würde ich sogar herausheben. Aus Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz kommen immer wieder gute Leute.



      Und Esken wurde schon aus "guten" Gründen vom politischen Feind bewusst attackiert. Sie war auch noch aufstiegserfahrene Linke, wie es früher bei der Sozialdemokratie die Stammklientel war.

      Der "Arbeitskreis Sozialdemokraten in der SPD" (G. Schramm) ist aber wieder einmal überfällig. Nur Koalitionspartner wäre zu wenig, zumal bei einer so inhaltlich schwachen wie fehlgeleiteten Union wie derzeit.

  • Labour hat eine der stärksten Mehrheiten, die Tories sind kaputt, das rechte Lager zwischen Tories und Reform gespalten. Die nächste Wahl ist in drei, vier Jahren.



    Starmer muss, was er aus Labour-Sicht richtig fürs Land hält, jetzt auch machen, nicht auf Akzeptanz von Murdoch und Oberschicht schielen.



    Wenn ihn jemand wie Powell daran erinnert, umso besser. Dann ist dieser Nachname nach dem unseligen Enoch auch wieder politisch rehabilitiert.