Großbritannien und die Labour-Partei: Viel Arbeit für die Arbeiterpartei
Der neue Labour-Chef Keir Starmer verspricht einen Neuanfang. Aber die schwersten Aufgaben kommen noch. Wie geht es weiter mit der britischen Linken?
B evor wir die Partei verließen, war die Stimmung im Ortsverein richtig feindselig. Wir konnten das fühlen. Ein paar kritische Bemerkungen zu Corbyn reichten, um angegiftet zu werden.“ Clarissa Smith erinnert sich noch gut an die Zeit vor drei Jahren, als sie aus der Labour-Partei austrat. Gemeinsam mit ihrem Mann, ihrer Tochter und der Nachbarin wechselte die 67-Jährige damals zu den Liberaldemokraten.
„Ich war 45 Jahre Labour-Genossin gewesen“, erzählt sie im Telefongespräch mit der taz. „Ich hatte nichts gegen das Sozialprogramm der Partei, es ging mir um Jeremy Corbyns Haltung zum Brexit. Viele in meiner Gegend, die sich für den Verbleib in der EU einsetzten, traten aus.“
Ihre Familie stammt größtenteils vom europäischen Festland und aus Irland. Sie lebt in einer kleinen Stadt am Meer in East Sussex, Südengland. Genauer will sie es nicht sagen. Sie heißt auch nicht wirklich Clarissa, weil sie anonym bleiben möchte. Zum einen „wegen der Dominic Cummings dieser Welt“, also wegen Menschen wie dem Chefberater Boris Johnsons, die persönliche Daten sammeln, um sie auszunutzen. Zum anderen aufgrund ihrer Odyssee der letzten drei Jahre – einer persönlichen und politischen Odyssee, die sie mit vielen Linken in Großbritannien teilt.
Gleich nach den Wahlen im Dezember 2019, die Labour krachend verlor, versprach Jeremy Corbyn seinen Rücktritt als Parteivorsitzender, und Clarissa trat wieder in ihre alte Partei ein, so wie alle anderen in der Familie. Keir Starmer wurde zu diesem Zeitpunkt schon als Favorit für Corbyns Nachfolge gehandelt, als einer, der Labour nach der schweren Niederlage wieder neu aufrichten könnte. Und Clarissa wollte Starmer unterstützen.
Sie trat ein, um bei der anstehenden parteiinternen Wahl eine Stimme zu haben. Aus einem quälend langen Urwahlprozess an der Basis ging der ehemalige britische Generalstaatsanwalt Starmer Anfang April als Sieger hervor. Die Partei, die seit 2015 fest im Griff der Corbyn-Linken schien, wählte den Gegenpol.
„Ich bin sehr glücklich darüber“, sagt Clarissa. Waren ihr die Liberaldemokraten nicht gut genug? Von der kleinen Oppositionspartei war sie am Ende enttäuscht. Vor allem, weil die damalige Parteichefin Jo Swinson den vorgezogenen Neuwahlen zustimmte – und damit Boris Johnsons Wahlsieg im Dezember möglich machte. „Das bewies ihr Unvermögen, die Lage richtig einzuschätzen“, sagt Clarissa. „Außerdem, wenn ich ehrlich sein darf: Ich habe sogar da heimlich Labour gewählt.“
Noch 2015 war Jeremy Corbyn der neue starke Mann gewesen, als Labour nach der Wahlniederlage des glücklosen Ed Miliband gegen Tory-Premier David Cameron einen Neustart suchte. Der Altlinke Corbyn unterschied sich deutlich von der hochpolierten PR-Politik seiner Vorgänger aus der Ära Tony Blair. Er war Stammgast auf Demonstrationen und sagte als jahrelanger Hinterbänkler seine Meinung, unabhängig davon, was sich die Parteispitze wünschte.
Gegen die Kandidaten des Apparats setzten viele Jungmitglieder auf Corbyn, „Corbynmania“ brach aus, die Zahl der Labour-Mitgliedschaften schnellte hoch, und nach seinem Sieg versprach Corbyn eine „anständigere Politik“.
Doch die Zeit war die falsche. Das Brexit-Referendum stand vor der Tür, die britische Politik wurde stürmisch und kompromisslos. Corbyn war kein EU-Enthusiast. Seine eigene Haltung blieb ihm wichtiger als die strategische Positionierung der mehrheitlich pro-europäischen Partei. Als die Europafrage Labour zu zerreißen begann, wurden auch immer mehr antisemitische Bemerkungen von Parteigenoss*innen bekannt – bis hin zur Holocaustleugnung. Viele glauben, dass Corbyn oder sein Umfeld dafür eine Mitverantwortung tragen. Er schaffte es nie, das zu bewältigen.
Es gab öffentliche Proteste britischer Juden, Parteiaustritte und schließlich eine unabhängige Untersuchung des Antisemitismus bei Labour durch die britische Menschenrechts- und Gleichberechtigungskommission (EHRC). Solch eine Untersuchung war davor nur einer Neonazi-Gruppierung passiert.
In dieser Parteikrise half es auch nicht, dass Corbyn bei den Wahlen 2017 gegen Theresa May ein paar Labour-Sitze dazugewonnen hatte. Vor dem Wahlkampf gegen Boris Johnson 2019 war Corbyns Ansehen in der Öffentlichkeit auf einem historischen Tiefpunkt angekommen: 76 Prozent der Befragten fanden ihn schlecht. Die Wahlen im Dezember brachten Labour die schwerste Niederlage seit 1935 ein.
Spricht man heute mit Labour-Rückkehrern, die die Partei wegen Corbyns Aufstieg verlassen hatten und nun wieder beitreten, hört man immer ähnliches Lob für Keir Starmer: wie er im Parlament gegen Boris Johnson auftritt; wie er jahrelang gegen einen ungeregelten Brexit stritt. Seine klare Unterstützung der LGBTQ+ Community. Sein Einsatz für Gleichberechtigung. Seine Überzeugung, dass die hohen Studiengebühren in Großbritannien völlig falsch seien. Auch Corbyn teilte inhaltlich viele dieser Meinungen, aber bei Starmer sieht man die Chance, dass davon auch etwas umgesetzt werden könnte. „Ich kenne zehn andere Leute, die ebenfalls wieder Labour beigetreten sind“, sagt einer.
Den Durchbruch hat Starmer aber noch nicht geschafft. Noch liegt Labour bei 39 Prozent in den Umfragen, die Konservativen bekommen 43 Prozent. Doch seit Februar hat Labour ganze 20 Punkte aufgeholt. Die Partei scheint plötzlich wieder mehrheitsfähig.
In der politischen Versenkung verschwunden scheint derweil Jeremy Corbyn. Im Wahlkampf 2019 hatte er viel zu viel auf einmal versprochen, das Blaue vom Himmel, er wirkte so glaubwürdig wie ein Versicherungsvertreter, der einem für einen guten Abschluss alles Mögliche erzählt.
Seit der Coronakrise ziehen Premierminister Boris Johnson und sein Finanzminister Rishi Sunak allerdings ähnliche Kaninchen aus dem konservativen Zauberhut: Über 300 Milliarden Pfund (etwa 335 Milliarden Euro) neuer Gelder, nicht nur zur Unterstützung von Briten während der Pandemie, sondern auch für Maßnahmen zum Ausgleich der oft beklagten regionalen Ungleichheiten.
Manche um Corbyn halten das für den Beweis, dass er eigentlich recht hatte. Aber bei der Frage, wieso Starmer viel beliebter ist als Corbyn vor ihm, geht es eben um etwas anderes als Programmatik. Es geht um Glaubwürdigkeit.
Die Glaubwürdigkeit Labours wiederherzustellen ist Starmers Priorität. Während Großbritannien mit der Coronapandemie kämpft, beginnt Starmer seinen Kampf innerhalb der Partei. Weit oben auf der Liste steht der grassierende Antisemitismus auf dem Corbyn-treuen linken Flügel. Eine der ersten Amtshandlungen Starmers als Labour-Chef war es, das Gespräch mit britisch-jüdischen Verbänden zu suchen. Er entschuldigte sich für vergangene Verfehlungen und versprach proaktive Maßnahmen sowie eine parteiunabhängige Beschwerdestelle.
Das entsprach Forderungen von Organisationen wie der historisch mit Labour affiliierten Jüdischen Arbeiterbewegung (JLM – Jewish Labour Movement) und dem parteiunabhängigen Dachverband Board of Deputies of British Jews.
Vor wenigen Wochen erklärte Starmer bei einer Zoom-Diskussion mit Wähler*innen im Nordosten Englands, dass es bereits Änderungen im Disziplinarverfahren gebe. „Ich will keine Partei, die Antisemit*innen versteckt. Wir sind Antirassist*innen. Sie können mich nach dem beurteilen, was ich tue“, erklärte Starmer.
Diese Schritte haben Eindruck gemacht. „Das wäre nie so unter Corbyn geschehen“, lobt der 31-jährige Aktivist Joshua Baxendale in Brighton, der wegen Corbyn austrat und sich jetzt überlegt zurückzukehren. „Labour steht am Beginn der Hoffnung“, sagt auch Margaret Hodge, die altgediente jüdische Labour-Abgeordnete. Sie ist 75 Jahre alt, sitzt seit 1994 im Unterhaus und musste sich in ihrer politischen Karriere oft mit Antisemitismus von rechts und links außen auseinandersetzen.
Die Veränderungen erkennt man aber auch daran, dass mehrere Galionsfiguren des Corbyn-Flügels den Parteivorstand verlassen haben. Nach einigen Monaten im Amt traut sich Starmer mittlerweile sogar, die Vertreter der Linie seines Vorgängers frontal anzugehen. So feuerte er am 25. Juni seine Schattenbildungsministerin Rebecca Long-Bailey, nachdem sie auf Twitter einen Artikel geteilt hatte, der die antisemitische Behauptung der britischen Schauspielerin Maxine Peake verbreitete, am Tod des Schwarzen George Floyd in den USA sei indirekt Israel schuld, weil die US-Polizisten ihre Methoden bei Israelis gelernt hätten.
Als man auf Long-Bailey empört reagierte, distanzierte sich Maxine Peake von ihrer Behauptung. Als Starmer jedoch Long-Bailey bat, ihren Tweet zu löschen, löschte sie nur das Original und teilte den gleichen Artikel danach noch mal, einzig mit dem Zusatz: „Ich stimme nicht mit allem im Bericht überein.“ Sie musste gehen.
Bei der Wahl zur Parteiführung war Long-Bailey noch die stärkste Rivalin Keir Starmers gewesen, sie verlor als Kandidatin des Corbyn-Flügels gegen ihn mit 28 zu 56 Prozent. Viele aus dem linken Lager behaupten daher, das eigentliche Motiv ihrer Absetzung sei nicht der Kampf gegen Antisemitismus, sondern Starmer wolle sich einer Gegenspielerin entledigen. Bei problematischen Äußerungen eines anderen Corbyn-nahen Schattenministers reichte Starmer dagegen eine Entschuldigung. Es scheint, als verlange Starmer vor allem Einsicht und Eingehen auf seine Forderungen.
Auch anderes deutet darauf hin, dass es dem ehemaligen Generalstaatsanwalt, dessen juristische Karriere nichts mit Labour zu tun hatte, zunächst um Ordnung und Struktur geht. So hat er bewirkt, dass der Parteivorstand – traditionell das Gremium, in dem verfeindete Labour-Parteiflügel ihre Machtkämpfe austragen – nicht mehr das letzte Wort bei der Kür von Wahlkreiskandidaten hat.
Stattdessen wird ein Basiswahlsystem auf Ortsvereinsebene eingeführt – ein Schritt zur Demokratisierung der Partei. Diese Reform war möglich, weil in den vergangenen Monaten Starmer-Getreue die Mehrheit im Parteivorstand gewannen.
Hinter den Kulissen sind am linken Labour-Rand zahlreiche Genoss*innen entsprechend frustriert. Für manche ist der Sündenbock eindeutig: Die Juden sind schuld, jedenfalls bestimmte Juden. Bei einer Zoom-Veranstaltung über die Frage, was von der Labour-Linken noch übrig ist, dauerte es nicht lange, bis die Historikerin Åsa Jansson, ein Ortsvorstandsmitglied im südenglischen Hove, von der „israelischen Lobby“ sprach. Eingeladen war auch der frisch von der Partei suspendierte Soziologe David Miller, der sich einen Namen mit der Behauptung gemacht hatte, Starmer – dessen Ehefrau jüdischen Glaubens ist – werde von der „zionistischen Regierung“ bezahlt.
In einem Chat meldete sich die wegen antisemitischer Aussagen suspendierte Jackie Walker zu Wort und behauptete: „Zionismus und antischwarzer Rassismus sind an der Hüfte miteinander verbunden.“ Die linken Aktivisten einigten sich darauf, all ihre Kraft und Energie zur Unterstützung von Black Lives Matter zu verwenden. Am 28. Juni twitterte Black Lives Matter UK dann plötzlich: „Dem britischen politischen Mainstream wird das Recht genommen, Zionismus und das israelische koloniale Siedlerbestreben zu kritisieren.“
Diese Debatte spitzt sich immer mehr zu, je näher die Veröffentlichung des Abschlussberichts der britischen Menschenrechtskommission (EHRC) zum Antisemitismus in der Labour-Partei rückt. Nach mehrjährigen Ermittlungen ist der Bericht fertig und liegt seit wenigen Tagen dem Parteivorstand zur Stellungnahme vor. Am 3. August soll er veröffentlicht werden. Bisher wurde nichts daraus geleakt. Vielleicht ein Zeichen einer neuen Parteidisziplin.
Nicht zu übersehen ist, dass enttäuschte Corbyn-Linke beginnen, Labour zu verlassen. Etwa Sarah Jones, 31 Jahre alt. Die selbst erklärte „Antifascista Socialista“ mit einer großen Twitter-Fangemeinde will jetzt ihre „Energie lieber in Initiativen vor Ort stecken als in die Partei“, wie sie der taz erläutert. Sie sei enttäuscht. „Corbyn genoss die Zustimmung der Basis, war aber ein schlechter Parteiführer“, räumt sie ein. Starmer sei der bessere Parteiführer, aber ihm fehle das Leidenschaftliche, und „Labour rutscht unter ihm nach rechts ab“.
Tatsächlich ist von grundsätzlichen politischen Vorstößen Labours oder gar einem Starmer-Programm noch nicht viel zu sehen. Die Pressestelle der Partei arbeitet zwar plötzlich transparent und effektiv, anders als früher. Doch vieles in den täglichen Pressemeldungen ist bloß Reaktion auf die Maßnahmen der Regierung. Und da die Kommunalwahlen im Mai wegen der Pandemie um ein Jahr verschoben wurden und auch der Labour-Jahresparteitag im Herbst ausfällt, fehlen der Partei zwei wichtige Bühnen, um eigene Ideen in die Öffentlichkeit zu tragen.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Aber nicht alle Parteilinken sind mit Starmer unzufrieden. Laura Parker, die einstige Koordinatorin der Corbyn-treuen Basisbewegung „Momentum“, erklärte im Guardian, dass Gruppen aus der gesamten Partei dazu bereit seien, mit Starmer zusammenzuarbeiten. Die entscheidende Frage sei, ob das Corbyn-Parteiprogramm gerettet werden könne. Momentum befindet sich wie die gesamte Labour-Linke in der Krise und ist zurzeit vor allem mit sich selbst beschäftigt. Manche Aktivisten haben auch die neue Bewegung „Forward Momentum“ gegründet.
Zu den größten Herausforderungen für Labour gehört die Frage, wie die vielen Wahlkreise im „roten Norden“ zurückgewonnen werden sollen, die nach Jahrzehnten absoluter Labour-Treue 2019 reihenweise an Boris Johnsons Konservative fielen, der ihnen den Brexit versprach. Nachdem Labour 2015 schon die einstigen Hochburgen in Schottland verloren hatte, ist die Partei damit zunehmend auf Englands Metropolen und Universitätsstädte zurückgeworfen.
Dazu passt die Wahl des Londoners Starmer als Parteichef, aber genau das ist das Problem, denn die Menschen in ärmeren Landesteilen fühlen sich oft von der Londoner Politik missverstanden und verraten. Starmer und Corbyn vertreten in London benachbarte Wahlkreise – ein Handicap für die Überzeugungsarbeit in abgehängten Landesteilen.
Deswegen hält Starmer jetzt regelmäßige Zoom-Fragerunden mit Menschen im Norden Englands ab. Sein Ziel sind die nächsten Wahlen 2024. Doch auf diesen Termin zielt auch der konservative Premierminister Boris Johnson. Seine Investitionsversprechen richten sich besonders an die ärmeren Regionen Englands, die ihm 2019 mit ihren Stimmen den Sieg über Labour bescherten. Johnsons Wiederwahl wird entscheidend davon abhängen, ob er sie halten können wird. Während Starmer oft per Zoom mit den Leuten spricht, kommt Boris Johnson dagegen auch leibhaftig.
Starmer ist aber nicht der Einzige, der Zoom-Anstrengungen im Norden betreibt. Vergangenen Dienstag trafen sich fast 50 Labour-Genoss*innen und -Sympathisant*innen, darunter wichtige Gegner Starmers, via Zoom unter dem Motto „Labour über die Städte hinaus“ unter der Moderation der einstigen Corbyn-Loyalistin Laura Smith.
Auffällig an dieser Veranstaltung war der Versuch, die Person Corbyn voll und ganz aus der Diskussion herauszuhalten. Auch Starmer wurde nahezu die gesamte Veranstaltung lang nicht erwähnt, bis die taz direkt nachfragte. „Starmer macht Veränderungen oben, bei uns geht es um Veränderungen an der Basis“, lautete Smith’ Antwort.
Es ist das alte Dilemma, in dem linke Parteien – nicht nur in Großbritannien – stecken: Ist man vor allem dazu da, um Wahlen zu gewinnen und die Regierung zu stellen, oder bietet man ein Sammelbecken für lokale Veränderungen? Diese Frage treibt viele um. Peter Thurlow, ein Experte in Öffentlichkeitsarbeit im ländlichen Suffolk im Südosten Englands, war ebenso wie die eingangs erwähnte Clarissa Smith lange Labour-Mitglied. Nach 45 Jahren trat der 70-Jährige aus, wegen Corbyn. Thurlow ging zu den Grünen.
Doch bei denen sieht er jetzt die gleiche Hoffnungslosigkeit wie bei Corbyns Labour, und seit Neuestem strömen auch Corbyn-Linke von der roten Partei zur grünen. Zeit, um sich von den Grünen abzunabeln, glaubt Thurlow. Vielleicht ist sogar eine Rückkehr zu Labour drin. Was ihn am meisten stört, und auch da ist er nicht der Einzige: Labour arbeitet seit je nicht gut mit anderen progressiven Kräften zusammen. „Es war schon immer so“, sagt er. „Labour will alles für sich allein.“
Wenn Thurlow von sich erzählt, ist das wie eine Zusammenfassung der Labour-Geschichte. „Bis 1974 war ich ziemlich aktiv in der Partei, dann machte ich Pause und machte erst wieder unter Corbyn mit“, erinnert er sich. In der Aufbruchszeit der frühen Corbyn-Jahre ab 2015 schlug er viele Kampagnen vor, die alle gut gefunden hätten. „Am Ende geschah aber gar nichts.“ Schließlich flüchtete er aus der Partei, die „begann, mich anzuwidern“ – weil ihr der Geist von früher fehlte.
Was war denn dieser Geist? Labour, sagt der alte Aktivist, müsse einfach nur die Arbeiterklasse repräsentieren. Das sei alles. Und wieso glaubt er, dass das mit Starmer besser werde als mit Corbyn? „Weil er seriöse schlaue Menschen für sein Schattenkabinett ausgewählt hat. Sie sind keine Headbanger, wie es unter Corbyn der Fall war.“
Außerdem packe Starmer Probleme an, statt wie Corbyn so zu tun, als wäre nichts. „Bisher hat Starmer sehr gründlich und nahezu fehlerfrei, vorsichtig und detailliert gearbeitet. Er ist genau der richtige Mann.“
Und Clarissa Smith, die wegen Corbyn zu den Liberaldemokraten geflüchtet war und jetzt zu Labour zurückfand? Sie tut sich schwer mit der Zukunft, auch der eigenen. „Ich habe gesehen, wie viel Armut es in Großbritannien gibt. Ich habe Kindern in der Schule vom eigenen Geld Mittagessen gekauft, weil sie mir leidtaten.“ Jetzt überlegt sie, mit ihrem Mann für den Lebensabend in ein EU-Land auszuwandern.
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