piwik no script img

■ Großbritannien: Tories im Oberhaus für EU-AustrittSymbolischer Sieg der Nationalisten

Die Abstimmung im britischen Oberhaus am Freitag, bei der ein Gesetzentwurf zur Aufkündigung der Mitgliedschaft Großbritanniens in der EU in erster Lesung eine knappe Mehrheit fand, ist ein historisches Datum europäischer Politik. Es ist das erste Mal, daß eine Parlamentskammer in einem EU-Mitgliedsland eine solche Entscheidung trifft. Zwar ist die Wirkung des Votums vor allem symbolisch. Aber es hätte kaum zu einem heikleren Zeitpunkt kommen können. In Großbritannien hat der Wahlkampf für eine Schicksalswahl begonnen, die nicht nur achtzehn Jahre konservativer Herrschaft ein Ende setzen könnte, sondern auch das weitere Verhältnis der Briten zum europäischen Kontinent bestimmen würde.

Die Europagegner bei den britischen Konservativen haben in letzter Zeit beständig Punkte gesammelt. Sie sind von einer radikalen Minderheit zu einem der kräftigsten innerparteilichen Flügel angewachsen, so daß Aspiranten auf die künftige Führung der Tories nur noch dann Chancen haben, wenn sie ein Bekenntnis gegen die Europäische Währungsunion abgeben. Ihre Warnungen von einem übermächtigen europäischen Bundesstaat, für die sie von britischen EU-Freunden bisher ausgelacht wurden, werden nun ausgerechnet aus Europa bestätigt – mit deutsch-französischen Vorstößen zur Angleichung von Steuer- und Verteidigungspolitik. Während die Konservativen noch vor ein paar Jahren vor allem um die Währungsunion stritten, geht es heute zunehmend um die Frage, ob Großbritannien überhaupt noch Mitglied der EU sein soll – was bisher nur ein rechtsnationaler Rand jenseits der Tories in Frage stellte. Die Parameter haben sich verschoben.

Die EU könnte noch zum größten Streitpunkt im britischen Wahlkampf werden. Da die Labour-Opposition sich unter Tony Blair in fast allen Feldern staatlichen Handelns ausdrücklich zur Fortführung konservativer Politik bekannt hat, bis hin zur Steuer- und Ausgabenpolitik, bleibt kaum ein anderes Thema als Europa, bei dem noch fundamentaler Dissens zu finden ist. Bislang bewirkt die Spaltung der Konservativen über Europa vor allem Lähmung, und wahrscheinlich wird sie zur Wahlniederlage führen. Aber die Abstimmung im Oberhaus war ein erster Vorgeschmack auf die Zeit danach. Auch ein Premierminister Blair wird sich dem kaum entziehen können. Die EU darf sich auf schwierige Zeiten gefaßt machen. Dominic Johnson

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen