Groko und Einwanderungsgesetz: Fachkräfte? Ja, aber …
Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag auf ein Einwanderungsgesetz verständigt. Bei der Ausgestaltung sind sich die Parteien jedoch uneins.
Über die Sorgen heimischer Betriebe ist der SPD-Bundestagsabgeordnete Karamba Diaby bestens informiert. In jeder sitzungsfreien Woche, erzählt Diaby, besucht er „mindestens ein Unternehmen“ in seinem Wahlkreis Halle in Sachsen-Anhalt. Seit Jahren hört der Bildungspolitiker: Lasst endlich mehr Fachkräfte aus dem Ausland rein.
Die Hürden sind hoch: Wer in Deutschland arbeiten will, benötigt einen Arbeitsvertrag und anerkannte Abschlüsse, oft auch sehr gute Sprachkenntnisse. 2016 reisten gerade mal 17.362 Hochqualifizierte per „Blue Card“ ein – viel zu wenig, sagen Arbeitsmarktexperten. Derzeit fehlen akut Mechatroniker, Software-Entwickler und Altenpfleger, in manchen Gegenden auch Heizungsbauer oder Lokführer.
Für die heimischen Unternehmer hat Diaby endlich eine gute Nachricht. Denn im Koalitionsvertrag haben sich SPD und Union auf ein Einwanderungsgesetz geeinigt. „Unser Land braucht geeignete Fachkräfte in großer Zahl. Kein Arbeitsplatz soll unbesetzt bleiben, weil es an Fachkräften mangelt“, heißt es in dem Papier, das CDU, CSU und SPD vergangene Woche vorgestellt haben. Wie dieses Versprechen erreicht werden soll, muss jedoch erst noch ausgearbeitet werden.
Punkte des Aufenthaltsgesetzes sind zu unübersichtlich
Weitgehend einig sind sich die Parteien nur in einem Punkt: dass die mehr als 50 Stellen im Aufenthaltsgesetz, die die Arbeits- und Einreisebestimmungen für Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Staaten regeln, zu unübersichtlich sind. „Wahnsinn“, findet das Diaby, der bei den Koalitionsverhandlungen mit am Tisch saß. „Ärgerlich“, sagt dazu der CDU-Abgeordnete Matthias Zimmer. Damit endet jedoch der Konsens über das Einwanderungsgesetz – selbst innerhalb der Parteien.
„Das Thema Fachkräftezuzug wird in der Union kontrovers diskutiert“, sagt Zimmer, der in der CDU-Fraktion stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales ist. Geht es nach ihm, läge die Priorität darauf, Langzeitarbeitslose nachzuqualifizieren. Arbeitsmigration soll nicht zu Lasten heimischer Jobsuchender gehen. Dennoch sagt Zimmer: „Wir haben als Union erkannt, dass es eine Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts braucht, um das Fachkräfteproblem zu lösen.“
Das war bis vor Kurzem noch anders. Erst vor zwei Jahren hatte die Union ein Einwanderungsgesetz abgelehnt – vorgeschlagen hatte es ihr damaliger Koalitionspartner SPD. Die Sozialdemokraten wollten ein Punktemodell nach kanadischem Vorbild einführen. Der Gesetzentwurf beinhaltete drei einschneidende Neuerungen: Erstens können auch Fachkräfte für eine bestimmte Zeit nach Deutschland einreisen, ohne bereits einen Arbeitsvertrag zu haben. Dafür müssen sie bei anderen Kriterien wie Sprachkenntnissen oder Berufsabschluss voll punkten.
Zweitens können sich Interessierte aus Nicht-EU-Ländern von ihrem Heimatland aus online um die Einreise bewerben, und drittens würde der Bundestag je nach Bedarf der Wirtschaft ein Kontingent festlegen. Die SPD wollte damals mit 25.000 Genehmigungen im Jahr starten. „Das ist immer noch unsere Vorstellung, wie wir Fachkräfte gezielter nach Deutschland holen“, sagt Diaby, der damals federführend am Gesetzentwurf der SPD beteiligt war. Er gibt sich „optimistisch“ dass es dieses Mal zu einer Einigung mit der Union kommt.
SPD-Modell fällt durch
Dabei ist der jüngste Testlauf für das SPD-Punktemodell ordentlich in die Hose gegangen. Keine drei Monate – kurz nach der Bundestagswahl 2017 – ist es her, da brachte die SPD im Alleingang ihren Entwurf zum Einwanderungsgesetz in den Bundestag ein und erntete Kritik von allen Seiten. Nur die FDP lobte den Entwurf.
Der CDU-Abgeordnete Stephan Mayer lehnte das SPD-Modell kategorisch ab: „Wir wollen, dass die Arbeitgeber, die Unternehmer, entscheiden, wer für sie der richtige Mitarbeiter oder die richtige Mitarbeiterin ist, und nicht, dass mittels eines hochkomplexen Punktesystems entschieden wird, wer nach Deutschland kommen darf, ohne dass er einen konkreten Arbeitsvertrag in der Tasche hat.“CDU-Sozialpolitiker Matthias Zimmer ist ebenfalls gegen ein kanadisches Modell. Der Widerstand gegen das SPD-Modell scheint in der Union ungebrochen.
Auch Arbeitsmarktexperte Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) spricht sich dagegen aus: „Punktesysteme bringen das Risiko der Überregulation mit sich, wie beispielsweise der Vorschlag der SPD-Bundestagsfraktion. Ein Einwanderungsgesetz müsste die bestehenden Regeln hingegen radikal vereinfachen.“
Brücker würde etwa darauf verzichten, dass Fachkräfte, die einen Berufs- oder Hochschulabschluss und schon einen Arbeitsvertrag in Deutschland haben, noch aufwändig die Gleichwertigkeit der Qualifikation nachweisen müssen. Zudem sollte man die Blue Card öffnen für nichtakademische Berufe. Brücker: „Wer nicht an dieser Stelle schraubt, wird den Fachkräftemangel nicht beheben.“
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