Griechenlandsolidarität in Frankreich: Eine humanitäre Krise
Französische Intellektuelle wollen Solidarität mit Griechenland organisieren. Sie hoffen, mit ihrer Plattform in ganz Europa die Apathie zu brechen.
PARIS taz | "Wenn nicht wir, wer dann? Wenn nicht jetzt, wann sonst?" Die Fragen sind rhetorisch, denn die Gruppe französischer Intellektueller rund um die beiden Philosophen Alain Badiou und Etienne Balibar sowie Vicky Skoumbi, die Herausgeberin der griechischen philosophischen Revue Alètheia, hält die Dringlichkeit als Rechtfertigung des Vorgehens mehr als hinreichend.
In ihrem Appell schlagen sie vor, ein europäisches Komitee aus Intellektuellen, Wissenschaftern und Künstlern zu bilden, um die Solidarität mit dem Widerstand des griechischen Volks zu organisieren. "Retten wir das griechische Volk vor seinen 'Rettern'", lautet der Slogan-Titel des Aufrufs.
Gleich von Beginn stellt der Appell nämlich klar: Dass es beim vermeintlichen "Rettungsplan" mitnichten darum gehe, den Griechen zu helfen, sondern den Gläubigern. Schlimmer: Dahinter stecke ein Sozialexperiment, das im Falle positiver Resultate auf ganz Europa ausgedehnt werden könnte.
"Punkt ohne Umkehr"
"Die Zukunft der Demokratie und das Schicksal der europäischen Völker werden in Frage gestellt. Überall wird uns die 'zwingende Notwendigkeit' einer 'schmerzlichen, aber heilsamen' Sparpolitik als Mittel angepriesen, dem griechischen Schicksal zu entgehen, dabei führt uns das direkt dorthin." Auf der Strecke bleiben die sozialen Errungenschaften, Grundrechte und die Souveränität des Volks. Dieses muss unter dem Druck eines "von und für die Spekulanten und Gläubiger erfundenen Plans" zusehen, wie sich seine Lage nur noch laufend weiter verschlechtert und wie unter dem fremden Diktat die letzten Volksvermögen geplündert werden.
Mit dem neuen "Rettungsplan" der Troika EU-BZE-IWF werde ein "Punkt ohne Umkehr" erreicht, der jede Initiative dringend mache: Debatten, Medieninterventionen, Artikel, Demonstrationen.
In der katholischen Tageszeitung La Croix erklärt Vicky Skoumbi die Notwendigkeit des Appells mit Zahlen: "Es handelt sich um einen Plan zu Rettung der Gläubiger, nicht Griechenlands." Von den 130 Milliarden könnten maximal 2,5 Milliarden für die Bedürfnisse des Staats und der Wirtschaft Griechenlands ausgegeben werden, der Rest diene dem Schuldendienst und der Kapitalerhöhung der griechischen Banken.
Sie wolle nicht die kriminelle Verantwortung der führenden Klasse in Griechenland vermindern. Doch Griechenland lebe "heute in einer Situation der humanitären Krise!" Nach den Kundgebungen unter dem Slogan "Wir sind alle Griechen" hoffe sie, dass nun dank dieses Aufrufs die bisher "apathischen" Intellektuellen in Frankreich und ganz Europa ihre aktive Solidarität zu Ausdruck bringen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei