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Griechen spekulieren über Euro-AustrittDas Unwort ist wieder da

Der griechische Regierungssprecher spekuliert öffentlich über einen Austritt Griechenlands aus dem Euro. So soll die Bevölkerung auf mehr Einschnitte vorbereitet werden.

Drachme oder Euro? Regen oder Traufe? Bild: dpa

ATHEN taz | Dass er sich verplappert hat, ist kaum anzunehmen. Dafür kennt sich Pantelis Kapsis einfach zu gut aus im Politik- und Mediengeschäft. Der Sohn des ehemaligen Journalisten und Außenministers Jannis Kapsis hat über 30 Jahren für Zeitungen gearbeitet, die den Sozialisten sehr nahe stehen.

Als Sprecher der Drei-Parteien-Regierung unter Lucas Papademos darf er nun unfrohe Botschaften verkünden: "In den nächsten drei Monaten geht es um alles. Das neue Hilfsabkommen muss unterzeichnet werden, sonst sind wir von den Märkten abgeschnitten und raus aus dem Euro", erklärte Kapsis am Dienstag in einem Interview für den TV-Sender SKAI.

Dabei gilt ein Euro-Aus immer noch als Tabuthema in Griechenland. Aber die Zeit wird knapp: Im März muss die Regierung Anleihen von insgesamt 14 Milliarden Euro zurückzahlen, wofür sie kein Geld hat. Deswegen müssen bis dahin die Verhandlungen mit den Gläubigern Griechenlands über einen freiwilligen Teilschuldenerlass sowie über ein zweites Rettungspaket in Höhe von 130 Milliarden Euro abgeschlossen sein.

Zudem reisen Mitte Januar Vertreter der "Troika" aus EU, IWF und EZB nach Athen, um über weitere Einsparungen, Steuermaßnahmen und sogar Rentenkürzungen zu verhandeln.

Alle müssen tiefer in die Tasche greifen

In diesem Zusammenhang will Regierungssprecher Kapsis erstmals in aller Deutlichkeit eine Warnung an die eigenen Wähler aussprechen: Entweder ihr müsst weitere Einschnitte hinnehmen, oder wir stehen vor dem Aus. Noch drastischer hatte es zu Jahresbeginn der Gouverneur der griechischen Zentralbank Giorgos Provopoulos in einem Zeitungsinterview formuliert: Ein eventueller Euro-Austritt sei "eine Höllenfahrt" für die Bevölkerung. Man müsse in diesem Fall mit einer Abwertung der neuen Währung um 60 bis 70 Prozent rechnen, die Griechen würden sich in die 50er Jahre zurückversetzt fühlen.

Um dies zu verhindern, müssen alle noch tiefer in die Tasche greifen, lautet die Botschaft. Ein Vorgeschmack ab 1. Januar 2012: Der Grundfreibetrag wird auf 5.000 Euro im Jahr reduziert. Die Pauschalsteuer für Freiberufler wird von 300 auf 500 Euro im Jahr erhöht.

Die erstmals 2011 verhängte Immobiliensondersteuer wird wohl ebenfalls erhöht, da der ihr zugrunde liegende und ausschließlich vom Finanzamt geschätzte Geldwert der Immobilie steigt. Krankheits- und Mietkosten sind kaum noch absetzbar, Verbrauchssteuern auf Heizöl steigen um bis zu 40 Prozent, Steuererleichterungen für kinderreiche Familien werden zum Teil abgeschafft.

Katalog der Grausamkeiten

Damit ist der Katalog der Grausamkeiten natürlich nicht vollständig. Auch die "Troika" gibt mittlerweile zu, dass von den Steuerzahlern eh nichts mehr zu holen ist und drängt verstärkt auf Strukturreformen, so etwa die Privatisierung von Staatsvermögen oder die Liberalisierung des Arbeitsmarkts. Damit tut sich auch die Übergangsregierung von Lucas Papademos sichtlich schwer.

Einzelne Erfolge kann man ihr immerhin nicht absprechen. Ein Beispiel: Bislang war der Verkauf von Säuglings- und Babymilch zu himmlischen Preisen ein liebgewonnenes Privileg der Apotheker, doch seit 1. Januar dürfen die Griechen erstmals Babymilch im Supermarkt kaufen, und zwar um bis zu 20 Prozent billiger. Es war ein symbolischer und längst fälliger Sieg der Politik über die mächtige Apotheker-Lobby, die nun übrigens mit Gericht droht. Aber mal ehrlich, denken sich viele Griechen: Bedarf es wirklich einer Drei-Parteien-Regierung in diesem Land, um den Verkauf von Babymilch neu zu regeln?

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5 Kommentare

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  • A
    angelique

    Es ist wesentlich intelligenter die Drachme

    einzuführen und extern 100 Mrd. Euro

    für Investitionen in Regenerative Energien,

    Tourismus, Medizin, Landwirtschaft, Viehwirtschaft, Schiffbau, Modeindustrie

    etc. zu bekommen bei gleichzeitiger

    Abschaffung von Hedgefonds, Leerverkäufen

    als zig

    100 Mrd. Euro für das reine Umschulden

    ohne Gewinnerwirtschaftungsmöglichkeiten.

     

    Das selbst diese elementaren Zusammenhänge

    nicht verstanden werden, zeigt man wird

    von Schildbürgern regiert oder von

    Politikern, die die bewußte Entdemokratisierung

    der Völker Europas vorantreiben wollen.

     

    Und ohne Reichensteuer und durchgreifender

    Steuerjustiz ist jegliches Rettungsszenario

    völlig unseriös. Die Frage sei auch berechtigt,

    inwiefern überhaupt die Vermögen der Reichen

    und Superreichen in Griechenland legal

    erwirtschaftet worden sind.

    Die Aufarbeitung etwaiger Wirtschaftsverbrechen

    im Schnelldurchgang tut hierbei Not.

  • PA
    Peter Adam

    Als Grieche alter Prägung kann Ich nur sagen: Lasst uns raus aus der EU und dem Euro !!

    Mit diesen korrupten Parteien, einem ehemaligen Banker von Goldman&Sachs als Ministerpräsidenten, der massgeblich an der Fälschung der Bilanzen zum EU-Beitritt beteiligt war soll alles besser werden??

    Die machen mein Volk zu Zinssklaven des anglo-amerikanischen Bankenkartells. Die schnüren meinem Volk die Luft ab bis es stirbt. Allen voran die "eiserne Kanzlerin", oder besser gesagt Honneckers Rache. Vor dem Euro waren wir Griechen ein freies und stolzes, ebenso wie gastfreundliches Volk. Zugegeben wir waren damals schon arm, aber wenigstens konnten wir von unserer Hände Arbeit leben und gelegentlich auch etwas Luxus erringen. Dies hat sich in perverser Form, durch die billigen Kredite im Euroraum geändert. Die Habgier ist bei sehr vielen erwacht, der stetige Zwang mehr und mehr besitzen zu wollen als für den Frieden in einem Selbst und der griechischen Gesellschaft gut ist.

    Wir müssen wieder dahin kommen wo wir waren, aber mit dem Euro und der uns auferlegten Austeritätspolitik ala Merkozy, EU und IWF wird das nichts.

  • Z
    Zobrapunk

    Weder Regierungssprecher, noch Papadimos wurden von Wählern gewählt, also sind aus deren Mund Sprüche in deren Richtung eine Frechheit.

    Weitere "Sparmaßnahmen" gehörten genauso wenig zu Papandreous Rücktrittsdeal wie die ständige Verschiebung des Wahltermins.

  • KS
    Karl Sonnenschein

    Es ist shon beinahe unglaublich, da wird dem griechischen Volk eingeredet das die Rueckkehr zur Drachme die Hoelle ist waehrend ihnen bei lebendigem Leibe die Haut abgezogen wird.

     

    Die Strategie der Drahtzieher wird wohl aufgehen, den Staat und die verbliebenen Sozialleistungen und Arbeitnehmerrechte weiter pluendern und aushoehlen bis nichts mehr zu holen ist, danach wird man die Drachme oder den Sued-Euro als letzte Rettung verkaufen.

  • H
    Hans

    Ich denke, dass es sich weniger um eine Drohung, sondern eher um eine Ankündigung handelt. Natürlich erzeugen manche Schritte Erfolge und Griechenland gehört saniert und reformiert, aber wo nichts zu holen ist, da passiert auch nichts. Warum sie es tun, ist einfach: Es gibt kein Wachstum: Griechenland ist im dritten Jahr im Minus und inzwischen gibt es durch die Austeritätsprogramme Folgen wie nach einem konventionellem Krieg. (Wahrscheinlich ist die wirtschaftliche Leistung um ca. 20 Prozent gesunken)

     

    Dann kommt noch die Frage, wie es weitergeht, denn mit Olivenöl, Schafskäse, Tourismus und ein paar Spezialbranchen (Tankerflotten) macht Athen einfach nicht genug Geld, um wirklich einen wirtschaftlichen Wiederaufbau unter solchen harten Bedingungen einleiten zu können. Da auch der Rest der EU bei stagnativem oder Minus-Wachstum angelangt ist, gibt's von dieser Seite auch keine neuen Impulse, zumal ein Deutscher oder Däne auch nur eine begrenzte Aufnahmefähigkeit für griechische Produkte hat, warum soll er jetzt 30 Liter mehr an Olivenöl aus Hellas benutzen?

     

    Also treten sie aus aus dem EURO aus. Ich tippe mal auf April. Und natürlich wird in vielen Gerichtsverfahren schon 2012/13 in zahlreichen Ländern und bei zahlreichen Instanzen, nachgewiesen werden, dass noch mancher (Super-)Deals stattgefunden haben, insbesondere im Shipping-Segment und dass mancher Euro aus der Schweiz woandershin wanderte, aber das wird den Gläubigern nichts mehr nützen.

     

    Das Vorbild für diese Aktion ist Argentinien und in Buenos Aires tingeln schon lange Griechen durch die Behörden, Banken und sprechen bei Politikern etc. vor, um herauszufinden, wie so eine Sache läuft.

    Das bestätigen argentiniesche Quellen sogar ganz offen.

     

    Und viellleicht wird auch die griechische EU-Mitgliedschaft suspendiert, aber genau an diesem Punkt wird eben Merkels Führungsanspruch kippen: Die EU ist ein gleichberechtigter Staatenverbund, es ist eine Psyeudohegemonie, die Merkel und Sarkozy in Stellung gebracht haben. Die anderen Staaten haben längst die Nase davon voll.