Grenzüberschreitende CIA-Aktion: Folter-Tatort Ramstein?
Ein von der CIA gekidnappter Ägypter soll beim Umstieg auf der US-Airbase in der Pfalz misshandelt worden sein. Grüne fordern eine Neuaufnahme der Ermittlungen.
MAINZ taz | Ein von der CIA aus Italien entführter Ägypter soll beim Umstieg auf der US-Airbase Ramstein in der Pfalz im Jahr 2003 misshandelt worden sein. Das jedenfalls behauptete am Freitag der Politologe Burkhard Luber, der sich seit Jahren mit dem Fall beschäftigt. Bislang war man davon ausgegangen, dass die Kidnapper des mutmaßlich militanten Moslems Abu Omar am 13. Februar 2003 auf ihrem Weg nach Kairo in Ramstein lediglich den Jet gewechselt hatten. Luber hingegen ist überzeugt, dass in Ramstein die Entführung "geplant und organisiert" wurde.
Luber referierte in Mainz auf Einladung der Grünen. "Detailliert" habe er das gerade in den USA erschienene Buch "Kidnapping in Milan" des Geheimdienstspezialisten Steve Hendricks ausgewertet. Und sich die Akte Omar der Mailänder Staatsanwaltschaft, aus der in dem Buch zitiert wird, angesehen. Tatsächlich wurden auf dieser Grundlage im Dezember 2010 von einem Gericht in Mailand 23 CIA-Agenten "wegen Menschenraub und Körperverletzung" zu Haftstrafen verurteilt - in Abwesenheit.
Omar war in Mailand "auf offener Straße", so Luber, in ein Auto gezerrt, zur US-Airbase Aviano gebracht und von dort aus nach Ramstein ausgeflogen worden. Die Entführungsmaschine landete dort um 19.40 Uhr. Um 20.30 hob ein anderes gechartertes Flugzeug von der Airbase mit dem gefesselten und geknebelten Omar an Bord mit Ziel Kairo wieder ab. Der mutmaßliche Hassprediger wurde dann nach eigenen Angaben in Ägypten in Haft genommen und gefoltert. 2006 kam er frei.
Aus den Akten der italienischen Staatsanwaltschaft gehe nun hervor, dass Omar schon in Ramstein "schwer misshandelt" worden sei, sagt Luber. Man habe ihn entkleidet und ihm "einen äußerst schmerzhaften Gegenstand in den Po gesteckt". Danach sei "sein ganzes Gesicht mit Isolierband verklebt" worden. Seine Peiniger seien "zehn Männern in schwarzen und in Khakiuniformen" gewesen. Gegenüber Journalisten hatte Omar allerdings nach seiner Freilassung geäußert, dass er an seine Zeit auf der Base "keine Erinnerung" habe.
Für Luber stellt sich die Frage, ob auch Mitglieder der US-Streitkräfte in Europa an der Entführung beteiligt gewesen sein könnten. Denn die Mailänder Akten enthielten "Hinweise", dass die illegale Aktion auf der Airbase "geplant und organisiert" worden sei - etwa aufgezeichnete Telefongespräche zwischen den Militärflughäfen Ramstein und Aviano.
Dass die einst wegen Freiheitsberaubung und Nötigung ermittelnde deutsche Staatsanwaltschaft in Zweibrücken den Fall Omar ergebnislos eingestellt hat, kann Luber nicht nachvollziehen. Und auch nicht, dass sich die Untersuchungsausschüsse in Land und Bund zum Thema nur mit der Verletzung des deutschen Luftraums durch die Entführungsflüge beschäftigten. Die Grünen wollen die Erkenntnisse von Luber jetzt der Landesregierung und der Staatsanwaltschaft in Zweibrücken übermitteln.
Leser*innenkommentare
Meinolf Reul
Gast
Luber fragt sich, warum die ermittelnde Staatsanwaltschaft in Zweibrücken das Verfahren ergebnislos eingestellt hat. Dies dürfte mit der Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaften in Deutschland zu tun haben, die z. B. dem Innenministerium unterstellt sind. Italien ist da fortschrittlicher, dort dürfen die Ankläger frei ermitteln. Bei uns weiß dies seit je die Politik zu verhindern. Das ist bedauerlich, aber nicht zu ändern.
klaus pietschmann
Gast
also bei allem, was diese chaoten im aussendienst in den letzten 60 jahren verzapft haben, muss ich mir eine angemessene ueberraschung schon sehr rausquaelen. ich arbeite seit etwas ueber 2 jahren nun in den usa und ich habe noch keinen deutschen kollegen getroffen, der mir die behauptung einiger deutscher politiker unterschreiben mochte: die usa und europa bilden eine wertegemeinschaft!
vic
Gast
Ich würde es sehr begrüßen, wenn die ganzen menschenrechtswidrigen Schweinereien unserer Regierung endlich aufgedeckt würden.
Dieser Fall wurde schon einmal in aller Stille zu Grabe getragen.
Es ist Zeit, ihn zu exumieren!
Michael
Gast
Fest steht, dass von amerikanischen Staatsangehörigen in Verbindung mit NATO-Strukturen in vielen Fällen Menschenrechtsverletzungen schlimmsten Ausmaßes begangen worden sind.
Das allein ist Grund genug, zu ermitteln. Amerikanischen Gewaltverbrechern gehört das blutige Folterhandwerk gelegt, auch wenn sie im Auftrag der US-Regierung handelten. Wir müssen uns von diesen Ostküstenblendern nichts Kriminelles gefallen lassen, sonst werden die NATO-Basen in Deutschland polizeilich geschlossen und mit einer weiß-roten Folie umrahmt. Jedes Gebäude in Deutschland, in dem sich aktive Verbrecher aufhalten, wird von SEK-Bullen gestürmt. Warum wird nicht mit gleicher Verfolgungsenergie gegen diese barbarischen US-Agenten vorgegangen ? Wo leben wir denn ? Deutsche Staatsanwälte, die sich jetzt mit einer beschissenen formalen Begründung wegducken, machen sich an Menschenrechtsverbrechen übelster Art mitschuldig und gehören gleich mit abgeurteilt.
Wozu gibt es eine Generalbundesanwaltschaft, wenn sie nicht einmal gegen Entführung und Folter vorgeht ?
Wozu gibt es einen Auslandsgeheimdienst, wenn er die Staatsanwälte nicht einmal über diese US-Agenten informiert ?
Was soll das dumme Rechtsstaatsgetue uns Bürgern gegenüber, wenn sich die Geheimagenten der amerikanischen Großmacht hier nicht an die einfachsten Rechtsnormen zu halten gewillt sind ?
Sicher brauchen wir Freunde in der Welt, aber keine amerikanischen Gewaltverbrecher an unserer Seite.
gerhard
Gast
"Ein von der CIA gekidnappter Ägypter soll beim Umstieg auf der US-Airbase in der Pfalz misshandelt worden sein. "
Wenn dieser "Umstieg zwangsmässig" geschah, ist das eine eindeutige Verletzung deutschen Hoheitsgebietes bzw. eine Verletzung des GG.
Auch wenn die US und die Briten ihr militärisch besetztes Gebiet in Deutschland als
Gebiete mit " besonderen Absprachen" deklariert haben sollten, diese Gebiete stehen unter der Verfassungshoheit Deutschlands.
Auch der geforderte Abzug der Atomsprengkörper aus deutschem Gebiet- dem bisher nicht nachgekommen wurde gehört auch dazu!
Praktisch wird aber immer noch das Besatzungsrecht aus der Zeit 1945 als Gewohnheitsrecht ausgeübt.
emil
Gast
da die politik dazu neigt solcherlei dinge zu vertuschen, erfüllt wikileaks einen wichtigen zweck.
vantast
Gast
Immer wieder kann man die italienischen Ermittler im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität, wie Mafia und CIA, bewundern, während unsere tapferen Schreibtischermittler die Hosen voll haben und ihren kriminellen "amerikanischen Freunden" jeden Rechtsbruch durchgehen lassen, wir sind eben doch nicht so ganz "frei". Kumpanei mit Verbrechern? Wann wird gegen die Staatsanwaltschaft ermittelt? Oder war es eine Anweisung von oben, nichts zu tun? Justiz nach Gutsherrenart?
bnrd
Gast
das grundgesetz hat einen impliziten USA-Vorbehalt (steht unsichtbar als Absatz 4 in Art. 1).
Demokratie statt Angst!
Gast
Den Amerikanern dürfte es ziemlich egal sein, ob da irgendwer ermittelt. De facto sind sie hier immer noch Besatzungstruppen, die Narrenfreiheit genießen. Anderenfalls hätte ihnen die Bundesregierung die Nutzung ihrer Basen in Deutschland für grundgesetzwidrige Angriffskriege gegen den Irak, Afghanistan usw. untersagen und die Nutzungsverträge umgehend kündigen müssen. Da macht ein bißchen Folter den Braten auch nicht mehr fett!