Grenzgebiet zum Irak: PKK greift türkische Armee an
Bei Gefechten mit kurdischen Separatisten sind zahlreiche türkische Soldaten und PKK-Anhänger getötet worden. Beobachter erwarten eine Großoffensive der türkischen Armee.
Die kurdische PKK hat in der Nacht zum Sonntag einen weiteren schweren Angriff auf die türkische Armee verübt. Laut türkischem Generalstab griffen PKK-Kämpfer in der Provinz Hakkari, dem Grenzgebiet zwischen dem Irak und der Türkei, eine Militärpatrouille an. Dabei wurden mindestens 12 wehrdienstleistende Soldaten getötet und 16 verletzt. 13 vermisste Soldaten wurden unbestätigten Meldungen zufolge von der PKK verschleppt oder ebenfalls getötet.
Die etwa 100 Separatisten der PKK griffen auch eine Militärstation in der Ortschaft Daglica an und sprengten einen Kleinbus mit Hochzeitsgästen durch eine Landmine. Die Armee griff als Gegenschlag insgesamt 63 PKK-Stellungen an und tötete dabei binnen weniger Stunden 23 Kämpfer.
Der seit fast einem Vierteljahrhundert dauernde Kleinkrieg zwischen der kurdischen PKK und der Armee droht sich jetzt in einen Flächenbrand auszuweiten. In der Türkei sorgte die Nachricht vom verlustreichen PKK-Angriff für helle Empörung. Die Fernsehanstalten unterbrachen ihre Sendungen, rechte Demagogen riefen das Land regelrecht zum Krieg auf - so lautstark, dass Ministerpräsident Erdogan die Medien aufrief, "die Situation zu deeskalieren anstatt verantwortungslos einzuheizen". Erdogan weiter: "Unsere Wut ist sehr groß - wir werden nunmehr das Nötige machen, ohne auf jemanden zu hören."
Das Parlament hatte erst vor einer Woche der Regierung die Vollmacht erteilt, bei Bedarf die Armee über die Grenze in den Nordirak zu schicken. Der erweiterte nationale Sicherheitsrat sollte noch am Sonntagabend in Ankara zusammentreten, um das weitere Vorgehen gegen die PKK zu besprechen. Staatspräsident Abdullah Gül unterbrach eine Reise und kehrte eiligst in die Hauptstadt zurück. Beobachter gingen davon aus, dass als Reaktion eine größere Militäraktion der türkischen Armee folgen wird. Erdogan ist jetzt am Zug: Er muss dem Generalstab offiziell den Befehl für einen kriegerischen Einsatz jenseits der Grenze geben.
Bei Erbil, der Hauptstadt Nordiraks, trafen sich umgehend auch die beiden langjährigen irakischen Kurdenführer. Dschalal Talabani, offiziell irakischer Präsident, und Massud Barsani, Ministerpräsident des autonomen Nordiraks, verurteilten türkische Pläne für einen Einmarsch im Irak. Als Antwort auf das Drängen Ankaras, selbst gegen die PKK vorzugehen, sagte Barsani: "Die Türkei soll den Kurden zuerst einen Friedensplan vorlegen. Erst wenn die PKK diesen Plan ablehnt, erklären wir sie zur Terrororganisation." In den Kurdengebieten sollen 100.000 Kämpfer unter Waffen stehen, die mit 2.000 Panzerfahrzeugen ausgerüstet sind.
Der Exgeneral Osman Pamukoglu, der lange Jahre im Grenzgebiet operierte, behauptete im Fernsehsender Sky-Turk: "Es kommt nur auf den politischen Willen an. Die Armee weiß, wo die 5.000 bis 6.000 PKK-Kämpfer im Irak stecken. Diese müssen vernichtet werden."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren