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Greenwashing bei der Fußball-WM in KatarBesser kein Siegel als Fake-Siegel

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Angeblich soll die Fußball-WM „klimaneutral“ sein. Das ist ein großer Bluff – Werbung mit dem fragwürdigen Label sollte nicht mehr erlaubt sein.

Eher nicht Klimaneutral: Baustelle eines Stadions für die Fifa-WM in Katar Foto: Kai Pfaffenbach/reuters

D ie Fußballweltmeisterschaft in Katar ist der bisherige Höhepunkt der Verbrauchertäuschung mit „Klimaneutral“-Werbung. Das „vollständig klima­neu­tra­le Fifa-Turnier“ suggeriert, dass die WM in dem Wüstenstaat nicht dem Klima schade, dass sie gar keine oder kaum Treibhausgasemissionen verursache.

Das aber ist schlichtweg falsch. Für das Turnier hat Katar, wo Fußball bislang keine sonderlich große Rolle spielte, riesige Stadien gebaut. Das hat natürlich das Klima belastet. Da es in dem Emirat auch im Winter regelmäßig über 30 Grad heiß ist, werden das Spielfeld und die Zuschauertribünen mit Luft gekühlt. Auch das kostet selbstverständlich Energie und Treibhausgase. Die VerbraucherInnen werden aber nicht nur bei der WM in die Irre geführt.

Sie werden auch mit zahlreichen Lebensmitteln getäuscht, die mit dem Label „klimaneutral“ vermarktet werden. So können sich Hersteller ein klimafreundliches Image kaufen, ohne irgendwie ihre Emissionen reduzieren zu müssen. Denn die Anbieter von „Klimaneutral“-Siegeln schreiben ihren Kunden eben nicht vor, ihren Ausstoß zu senken.

Bestenfalls beraten sie sie ein bisschen, was sie tun könnten. Aber sie werden einem Hersteller von aus Frankreich nach Deutschland transportiertem Mineralwasser wohl kaum sagen, was er eigentlich machen müsste: seine völlig unnötige und klimaschädliche Ware gar nicht erst herstellen. Denn dann könnten sie ihm ja auch kein Siegel mehr verkaufen.

Stattdessen werden über die Siegel Projekte finanziert, die die Emissionen der gelabelten Produkte vor allem in Entwicklungsländern einsparen sollen. Doch wer kann garantieren, dass die dafür gepflanzten Forste in Mittelamerika auch in Hunderten von Jahren noch stehen und somit immer noch Treibhausgase binden? Und würden durch Kompensationsprojekte geförderte Windkraftwerke nicht auch ohne das Siegelgeld gebaut?

Mehr Schaden als Nutzen

So nimmt die Treibhausgaskompensation oft nur den Druck von der Wirtschaft, ihre Emissionen zu reduzieren. Auf diese Weise schadet sie dem Klima sogar. Deshalb sollte sich die Bundesregierung bei der EU dafür einsetzen, Werbung mit „Klimaneutral“-Aussagen zu verbieten.

Und sie sollte viel stärker als bisher klimafreundlicheres Konsumverhalten fördern: Tierische Lebensmittel müssen durch höhere Abgaben verteuert, pflanzliche und damit klimafreundlichere Nahrungsmittel von der Mehrwertsteuer ausgenommen werden. Ärmere müssten dafür einen Ausgleich bekommen, etwa durch ein erhöhtes Essens­budget für Hartz-IV-EmpfängerInnen.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik und die Lebensmittelindustrie. Journalistenpreis "Faire Milch" 2024 des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. 2018, 2017 und 2014 gewann er den Preis "Grüne Reportage" des Verbands Deutscher Agrarjournalisten. 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis (Essay "Mein Krieg mit der Waffe"), 2013 für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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3 Kommentare

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  • FIFA darf alles.



    FIFA geniesst allumfassende Immunität.

    Jeder mag sich selber fragen wie es dazu hat kommen können.

    Aber auch das ist kein Ruhmesblatt für die Regierenden.

  • 2G
    27814 (Profil gelöscht)

    Ein Beleg, dass solche Siegel schaden und nur keinen ausbleibenden Nutzen haben, bleibt aber sowohl in diesem Kommentar als auch im Artikel aus. Vielleicht wäre auch eine Überarbeitung ein besserer Weg:

    Ich habe es im zum zugehörigen Artikel schon geschrieben: Es wäre mindestens eine Ergänzung zum Siegel erforderlich, die in der unmittelbaren Offenlegung der Emissionen besteht und die Art der Kompensation. Zusätzlich müsste noch eine Analyse zugänglich sein, die Art und Quelle der Emissionen veröffentlicht. Diese Zahlen könnte man selbst einordnen oder sich entsprechende Informationen einholen, um zu überprüfen ob die Angaben realistisch sind.

    Für Produkte (für eine einmalige Veranstaltung geht das nicht), wäre es dann noch sinnvoll, dass ein Plan vorgelegt und veröffentlicht wird, wie und wann die Emissionen auf Null sinken. Letzteres ist natürlich heikel, da dabei Produktionsinterna offen gelegt werden müssen, aber für ein Label, müsste man das wohl in Kauf nehmen.

  • Kompensation ist Selbsttäuschung in Form eines modernen Ablasshandels.

    Niemals Problemlösung und in den meisten Fällen nicht mal -linderung.