Greenpeace: Schluss mit dem Verkauf bei Lidl
Nach massiver Kritik bietet Greenpeace sein Magazin nicht mehr beim Discounter an. Greenpeace-Chef Roland Hipp. "Das war ein Fehler."
BERLIN taz Man habe die Wirkung des Verkaufs falsch eingeschätzt. So schlicht begründet Greenpeace-Geschäftsführer Roland Hipp nun das Aus der einst überraschenden Vereinbarung mit der Discounter-Kette Lidl. "Das war ein Fehler." Dem Eingeständnis war massive Kritik von Mitgliedern und der Öffentlichkeit voraus gegangen.
Im August 2006 hatte Lidl das Greenpeace-Magazin, das alle zwei Monate erscheint, auf eigene Initiative ins Sortiment genommen. Und zwar gleich mit 150.000 Exemplaren, wodurch sich die Auflage des Magazins mehr als verdoppelte. Schon damals gab es kritische Stimmen, die vermuteten, der umstrittene Discounter wolle Greenpeace lediglich nutzen, um sein schlechtes Image aufzupolieren. Später wurde die gelieferte Menge auf 60.000 reduziert.
Recherchen von stern tv ergaben dann kürzlich, dass der größte Teil dieser Hefte nicht verkauft wurde, sondern im Altpapier landete. Lidl-Kassiererinnen gaben an, praktisch noch nie ein Greenpeace-Magazin verkauft zu haben. Anders als im Zeitschriftenhandel üblich, bezahlte Lidl aber nicht nur die verkauften Hefte, sondern die komplette Lieferung. Über den Einkaufspreis für das Magazin, das im Verkauf 4,90 Euro kostet, schweigen beide Seiten. Wenn er, wie vermutet wird, mindestens 2 Euro beträgt, hat Lidl pro Ausgabe zunächst 300.000 Euro, später immerhin noch 120.000 Euro an Greenpeace bezahlt - für ein Produkt, das praktisch nicht weiter verkauft wurde. Üblicherweise legt Greenpeace großen Wert darauf, im Vergleich zu anderen Umweltorganisationen kein Geld von Industrie oder Regierungen anzunehmen.
Auch nach Bekanntwerden des ungewöhnlichen Geschäftsmodells verteidigte Greenpeace den Deal zunächst weiter. Jochen Schild, Chefredakteur des Maganzins, hat bis heute "ein sehr gutes Gewissen" und freut sich über "eine Reihe neuer Leser". Doch inzwischen ist offenbar eine Welle der Kritik über Greenpeace hereingebrochen, die die Umweltorganisation in dieser Form selten erlebt hat. "Käuflichkeit", "Verlust der Glaubwürdigkeit", "Verrat der Ziele" lauteten die Vorwürfe in Briefen, E-Mails und Internet-Foren. "Die Heftigkeit der Mails war schon bemerkenswert", sagte Greenpeace-Sprecherin Svenja Koch der taz. Viele Kritiker vermuteten einen Zusammenhang zwischen dem Verkauf des Greenpeace-Magazins bei Lidl und den Ergebnissen eines Pestizid-Tests bei Supermarkt-Gemüse. Von 2005 bis 2007 hatte sich Lidl dabei vom letzten auf den ersten Platz verbessert. Diese Vermutung weist Greenpeace entschieden zurück.
Doch nicht nur bei den Förderern, auch unter den Greenpeace-Mitarbeitern hat die Kritik massiv zugenommen. Nach dem wöchentlichen Plenum zog die Geschäftsführung am Donnerstag dann die Notbremse und stoppte den Verkauf - "um jeglichen falschen Anschein zu vermeiden", so die Pressemitteilung.
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