Greenpeace-Studie: Tod aus dem Kohlekraftwerk
Herzinfarkte, Lungenkrebs und Bronchitis: Deutschlands schädlichste Meiler sind für 3.100 Todesfälle verantwortlich.
BERLIN taz | Sie sind nicht nur schädlich fürs Klima, sie verursachen auch Herzinfarkt, Lungenkrebs und akute Bronchitis bei Anwohnern: Gefährliche Feinstäube wie Schwefeldioxid und Stickoxide gefährden die Gesundheit von Menschen, die in der Nähe von Kohlekraftwerken leben.
67 der größten deutschen Kohlemeiler sind laut einer Studie im Auftrag von Greenpeace für mehr als 3.000 vorzeitige gesundheitsbedingte Todesfälle pro Jahr verantwortlich. Rein rechnerisch führe der Schadstoffausstoß zu einem Verlust von 33.000 Lebensjahren.
Für Rainer Friedrich von der Universität Stuttgart sind das „verlorene Lebensjahre“. Der Experte für Technikfolgenabschätzung hat für Greenpeace ausgerechnet, dass pro Jahr „10,5 Minuten Lebenszeit bei 50 Kilometern Entfernung zum Kohlekraftwerk“ verloren gehen. Die Meiler führen noch im Umkreis von bis zu zweihundert Kilometern zu Gesundheitsschäden – auch, weil sie giftige Metalle wie Quecksilber, Blei und Cadmium in die Luft ausstoßen.
Kraftwerksbetreiber wie der Energiekonzern Vattenfall bezeichneten die Studie als grob irreführend. Greenpeace verfolge mit der Untersuchung die Absicht, „den Energieträger Kohle zu diskreditieren und den Menschen Angst zu machen“, kritisierte Vattenfall-Vorstand Hubertus Altmann.
Die Luftqualität im Umfeld der eigenen Kraftwerke werde insgesamt „praktisch nicht oder nur unwesentlich“ durch deren Emissionen beeinflusst, teilte Vattenfall zudem mit. Das zeigten die Überwachungsmessungen der Behörden.
Dreckigstes Kohlekraftwerk: Jänschwalde
Erstmals wurden für die Greenpeace-Untersuchung die Schadstoffemissionen der größten Stein- und Braunkohlekraftwerke untersucht. Dafür zogen die Stuttgarter Forscher Daten aus dem Europäischen Schadstofffreisetzungs- und Verbringungsregister aus dem Jahr 2010 heran. Tausende Betriebe müssen hier jährlich ihren Schadstoffausstoß melden.
Braunkohleverstromung ist generell schädlicher als die von Steinkohle. Von den zehn gesundheitsschädlichsten Kraftwerken in Deutschland verfeuert einer Steinkohle. Am Beispiel des wohl dreckigsten Braunkohlekraftwerks, Jänschwalde, wird das Problem besonders deutlich. Pro Jahr sind laut Greenpeace allein durch die Anlage in Brandenburg fast 4.000 Lebensjahre gefährdet. Das entspreche 373 vorzeitigen Todesfällen.
Das 3.000-Megawatt-Kraftwerk mit seinen sechs Blöcken liefert Strom für 4,4 Millionen Menschen. Dem RWE-Kraftwerk Niederaußem in Nordrhein-Westfalen mit seinen rund 2.800 Megawatt elektrischer Leistung und neun Blöcken wurden rechnerisch 269 vorzeitige Todesfälle zugeschrieben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?