Grabenkämpfe in der AfD: Wechselseitige Ausschlussverfahren
Der Fraktionsgeschäftsführer der Hamburger AfD will über ein Parteiausschlussverfahren Gegner loswerden. Nun wendet sich die Waffe gegen ihn.
Der Generalleutnant a. D. der Luftwaffe soll mit dem Hamburger Bürgerschaftsfraktionsgeschäftsführer Thorsten Prenzler gegen den Landesvorsitzenden opponieren. Ein Netzwerk um Wundrak und Prenzler habe auch den Antrag zum Ausschluss des Landeschefs aus der AfD angestoßen. Doch Prenzler selbst soll per Parteiausschlussverfahren aus der AfD gedrängt werden, das geht aus einem Antrag vor, der der taz vorliegt. Gegenüber der taz teilte Prenzler jedoch mit, ein solcher Antrag sei ihm nicht bekannt.
Der AfD soll jedoch ein Antrag auf ein Ausschlussverfahren gegen den früheren CDU-Landtagsabgeordneten in Niedersachsen vorliegen. Prenzler wird schwerer „Datenmissbrauch und Verstöße gegen die Ordnung der Partei“ vorgeworfen. Der taz liegt ein über zehn Seiten langer Antrag vom 1. November dieses Jahres vor, inklusive der E-Mails und Adress-Daten, die Prenzler angeblich benutzt hat.
Dies soll im Februar 2017 geschehen sein. In dem Monat war in der AfD bekannt geworden, dass Kay Gottschalk zur Bundestagswahl für die AfD in Nordrhein-Westfallen kandidieren wollte. Der ehemalige Hamburger, der aus der SPD kommt, war wenige Monate vor der Aufstellung der Landesliste zu dem Landesverband gewechselt.
Thorsten Prenzler, Bürgerschaftsfraktionsgeschäftsführer der Hamburger AfD
Mit Erfolg: Gottschalk zog 2017 in den Bundestag und schaffte auch den Wiedereinzug 2021. Die Erstkandidatur soll ihm Prenzler aber aufgrund „persönlicher Antipathie“ missgönnt haben, heißt es in den anonymen Schreiben an die taz. Immer wieder sei es damals zu „Spannungen“ zwischen den beiden AfD-Politikern gekommen. Denn Gottschalk hielt Prenzler für ungeeignet für die Geschäftsführung der Hamburger Bürgerschaftsfraktion, da Prenzler, der früher mit Nachnamen „Thümler“ hieß, wegen Betrugs rechtskräftig verurteilt ist.
Die Nordwest-Zeitung hatte 2005 aufgedeckt, dass sich Thümler – zu der Zeit CDU-Landtagsabgeordneter – als Reisejournalist ausgegeben hatte, um sich bei Hotels in Mecklenburg-Vorpommern Rabatte zu erschleichen. Das Amtsgericht Oldenburg verurteilte ihn 2006 wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 6.000 Euro. Vom Landtagsmandat trat er zögerlich zurück.
Die Retourkutsche von Prenzler nach Gottschalks Kritik war ein mutmaßlich kompromittierender Brief, um dessen Bundestagskandidatur zu verhindern. Der Brief sollte flächendeckend in der nordrhein-westfälischen AfD verbreitet werden. Aus dem der taz vorliegendem E-Mail-Verkehr geht hervor, dass Prenzler den Brief verfasst haben könnte: „Hier noch ne neuere Fassung. In der anderen waren noch drei Tippfehler erhalten“, schreibt er am 24. Februar 2017 an zwei AfD-Funktionsträger:innen und fährt fort: „Jetzt müsst Ihr handeln – es fehlt nur noch eine wichtige Betr.-Zeile: Muss zum Lesen einladen.“ Am gleichen Tag bittet er eine weitere Person: „Bitte diese Fassung nehmen. Danke.“
Ein weiteres Indiz für eine Einflussnahme von Hamburg in Richtung NRW: Einen Tag zuvor, am 23. Februar, wurde für die Denunziation dem AfD-Pressesprecher der Hamburger Bürgerschaft eine weitere „AfD NRW E-Mail-Adresse“ aus den Kreisverbänden zugesendet. Weitere personenbezogenen Daten von Hunderten Funktionsträger:innen der AfD, Mitgliedern und Mitarbeiter:innen sollen eingeholt worden sein.
Die Sammlung von E-Mailkontakten, Privatadressen und Handynummern umfasst zwei Din-A4-Seiten. Bundestagsabgeordnete, Vorstandsmitglieder, Bundesdelegierte, Kreisvorstandsverantwortliche sowie Parteimitarbeiter:innen sind aufgeführt.
Anonyme Hinweise
„Der massive Missbrauch von Daten Hunderter Parteifunktionäre“, heiß es in dem Schreiben, stelle „zweifellos einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Ordnung der Partei dar, denn der vertrauensvolle Umgang mit personenbezogenen Mitgliederdaten gehört zu den grundsätzlichen Sicherheiten, auf die sich jedes Parteimitglied verlassen können muss.“
Nicht zum ersten Mal hat die taz einen anonymen Hinweis zu Prenzler erhalten. Die „linke taz“ wäre nicht die „linke taz“, wenn sie solche Schreiben nicht „fast betriebsblind“ aufgriffe, schreibt Prenzler auf Anfrage in einer Stellungnahme. „Medien wie die taz greifen diesen politischen Hokuspokus gerne auf.“
Die Jounalist:innen seien letztlich „nützliche Idioten“, schreibt Prenzler, der noch der AfD Buchholz/Nordheide vorsteht. Er beklagt aber auch, dass in der Hamburger AfD einige Mitglieder nicht „in der Lage“ seien, in der „verbalen Form“ eine „politisch inhaltliche Diskussion“ über „den richtigen Weg der AfD“ zu führen. Dazu gehöre, dass man „gerne anonyme Schreiben an Presse oder Staatsanwaltschaft übermittelt“.
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