piwik no script img

Gourmet-Hauptstadt in AsienGöttliche Offenbarung

Die Olympiareporter leben in einer Fast-Food-Bubble. Ein Jammer. Kulinarisch ist Peking ein Paradies. Für wenig Geld erhält man grandioses Essen.

„Western Food Meal“ im Medienzentrum der Ski-Alpin-Piste in Yanqing Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

M ein Kollege Andreas und ich leben zwar nur wenige Kilometer voneinander entfernt, doch kulinarisch trennen uns Welten. Er weilt in der olympischen Fast-Food-Bubble, ich in der Feinschmecker-Hauptstadt Asiens.

Ganz gleich, wie stressig die Arbeitsbedingungen und wie hoch die Feinstaubwerte sind, das Essen ist in Peking jeden Tag eine göttliche Offenbarung. Dafür muss man weder gehobene Restaurants besuchen noch tief in die Tasche greifen – ganz im Gegenteil: Morgens gibt es bei mir mit Bambussprossen gefüllte Baozi-Teigtaschen, mittags Weizennudeln in fermentierter Bohnenpaste und abends ein paar Lammspieße beim Muslimen nebenan. Alles zusammen kostet das keine zehn Euro.

Innerhalb der hermetisch abgeschlossenen Olympia-Bubble herrschen hingegen andere Verhältnisse. Die dort an Journalisten ausgehändigte Speisekarte liest sich wie eine Anweisung zum Fürchten: frittierte Zwiebelringe, Thunfisch-Sandwich und Steak. Auf sozialen Medien posten die Besucher der olympischen Kantine zudem Fotos einer grün-bräunlichen Brühe, die wahlweise als japanische Misosuppe oder koreanisches Doenjang-Jjiggae angepriesen wird. Der Olympische Kader der Vereinigten Staaten soll sich mit eingeschmuggelten Pasta-Portionen beholfen haben.

Doch um die ungleich ernüchternde Liste an alkoholischen Getränken kommen auch sie nicht herum. Wer bereit ist, für eine kleine Dose Tsingtao-Bier zwölf Euro hinzublättern, dem ist nicht mehr zu helfen. Und der angebotene Maotai-Edelschnaps ist für mehr als einen Tausender Kaufpreis auch keine echte Alternative.

Mich erinnert all das an meine Nordkorea-Reise 2019. Dort haben die Gastgeber – aus falsch verstandener Höflichkeit – der westlichen Delegation „heimische“ Spezialitäten anbieten wollen. Und so tischten uns die Kellnerinnen stolz labbrige Pommes Frites und graue Burger-Imitate auf, während wir neidisch auf die Speisen der Tischnachbarn schielten.

In Peking könnte man sich sonst mit seinem Smartphone aus der Klemme helfen. Denn wer auf der Meituan-App eine Essensbestellung aufgibt, bekommt diese meist in einer halben Stunde geliefert. Doch leider ist auch das für die Teilnehmer der Olympia-Bubble untersagt – aus Angst vor Virusinfektionen, heißt es offiziell. Doch wahrscheinlich fürchten die Organisatoren mindestens ebenso sehr den Verlust ihrer Monopolstellung. Denn dann würden die Veranstalter am Ende der Spiele auf einer ganzen Menge Tsingtao-Paletten sitzen bleiben.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Fabian Kretschmer
Korrespondent in Südkorea
Seit 2024 Korrespondent für die koreanische Halbinsel und China mit Sitz in Seoul. Berichtete zuvor fünf Jahre lang von Peking aus. Seit 2014 als freier Journalist in Ostasien tätig. 2015 folgte die erste Buchveröffentlichung "So etwas wie Glück" (erschienen im Rowohlt Verlag), das die Fluchtgeschichte der Nordkoreanerin Choi Yeong Ok nacherzählt. Betreibt nebenbei den Podcast "Beijing Briefing". Geboren in Berlin, Studium in Wien, Shanghai und Seoul.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!