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Olympiareporter in der FremdeKuhäugiger Blick nach Hilfe

Die westlichen Olympiareporter sind ein drolliges Grüppchen. Zum Glück gibt es Freiwillige, die sich um ihre Betreuung kümmern.

Hin- und herlaufende Journalisten warten auf den Olympia-Bus Foto: Michael Kappeler/dpa

W ir Journalisten aus dem Westen sind schon ein drolliges Völkchen hier in Peking. Wir suchen einander, stehen immer eng beisammen, führen Gespräche untereinander oder belauschen, wie die Kollegen gerade über das Essen in den Medienzentren der verschiedenen Sportanlagen oder die Bierpreise in den Hotelbars lästern.

Die Kolleginnen und Kollegen aus China, die sich wahrscheinlich über ähnliche Dinge unterhalten, bleiben fremde Wesen für uns. Sie bilden an den unzähligen Bushaltestellen vor dem Medienzentrum in Peking eine eigene Gruppe. Und dann sind da noch die Volunteers, die freiwilligen Helfer. Sie sollen uns die Angst nehmen in diesem fremden Land, freundlich sein und dafür sorgen, dass wir nicht auf Abwege geraten.

Vor allem die jungen Frauen und Männer, die an den Haltestellen für Orientierung sorgen sollen, müssen ein merkwürdiges Bild von uns Westlern haben. Aufgeregt laufen wir zwischen den Haltepunkten hin und her, und wenn wir dann von einer Freiwilligen angesprochen werden, sagen wir meist nicht mehr als „Sliding Centre“ oder „Big Air“ oder „Wukesong Sports Centre“. Wenn der Bus, nach dem wir gefragt haben, ankommt, dann schauen wir mit kuhäugiger Dämlichkeit noch einmal in Richtung der Helfer, bis uns eine Geste oder ein Kopfnicken bestätigt, dass das schon der richtige Bus ist.

Oben in den Bergen in Zhangjiakou will uns einer der Helfer auf die Probe stellen. „Rail Station? Rail Station?“, fragen wir. Er zeigt auf das Haltestellenschild mit der Nummer unserer Buslinie. „When, when?“, fragen wir. „Der Fahrplan hängt doch aus“, sagt er. Sein Kollege ist fassungslos. Er läuft auf uns zu, führt uns zu der Tafel mit dem Fahrplan und sucht nach der Abfahrtszeit. So wie wir uns verhalten, müssen wir uns wirklich nicht wundern, dass er uns nicht zutraut, einen Busfahrplan lesen zu können.

Einmal müssen wir ganz lange auf einen Anschlussbus warten. Ein paar von uns beginnen ein Gespräch mit den drei Freiwilligen, die mit uns warten müssen. Sie erzählen uns, dass sie sich bei den Spielen erst kennengelernt haben, dass sie für die Spiele das Neujahrsfest mit der Familie haben sausen lassen, dass sie wie wir in einem Hotel wohnen, vor dem sie jeden Tag auf Corona getestet werden und dass sie nach den Spielen erst mal in Quarantäne müssen. Sie nehmen viel auf sich für uns. Ob sie sich später wohl fragen werden, für welche Deppen sie sich das alles angetan haben?

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Andreas Rüttenauer
Sport, dies und das
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