Gottschalks neue Show: Zurückhaltend – und doch zu viel
Das Debüt der neuen Sonntagabendshow von Thomas Gottschalk erwies sich als unprätentiös. Und scheiterte dann an seinem Willen zum Epos.
Am Ende kamen die Hunde. Logisch, die fehlten ja noch. Kinder und Tiere – an der alten Unterhaltungsshowmaxime für zufriedene Zuschauer wollte Thomas Gottschalk bei seinem Debüt nun wirklich nicht rütteln. Dafür gab es genügend andere Herausforderungen, die es mit „Mensch Gottschalk – Das bewegt Deutschland“ zu bewältigen galt.
Die omnipräsente Konkurrenz des Zuschauermagneten „Tatort“ im Ersten beispielsweise, oder die Skepsis an seiner Person nach dem „Wetten, dass…?“-Abschied und seinem anschließenden ARD-Vorabend-Waterloo. So gesehen war es ein runder Abschluss eines sehr langen Sonntagabends auf RTL, den der Moderator mit dem Empfang von Kindern im Nationalmannschaftstrikot eröffnet hatte, die beim Eröffnungsspiel an der Hand der deutschen EM-Spieler ins Stadion einlaufen werden.
Tatsächlich hatte die von dctp und Spiegel TV produzierte Livesendung ungewohnt begonnen. Nach der Werbung steht er plötzlich da, nimmt noch einmal Kontakt mit der Regie auf und tritt vor das Studiopublikum. Es ist eine Art warm-up, das üblicherweise vor der Ausstrahlung über die Bühne geht. An Gottschalks Hals sind noch die weißen Tücher aus der Maske zu sehen. Keine große Geste, sondern ungewohnt zurückhaltend, fast demütig thematisiert er die Situation und spielt auf diese Weise gleich seine Stärke aus: spontane Interaktion mit dem Publikum.
Auch nach der Titelmusik und der Begrüßung der TV-Zuschauer setzt er diesen unprätentiösen Stil fort. Das hat durchaus seinen Charme, und als er dann noch im aufgebauten Wohnzimmer seiner anvisierten Zielgruppe – Durchschnittsfamilie – den Mörder im zeitgleich laufenden „Tatort“ verrät, wirkt es fast so, als hätte er sich ein bisschen etwas vom Satiriker Jan Böhmermann abgeschaut. Ob bewusst oder nicht, mit diesem „Spoiler“ schafft er es indirekt auch auf originelle Art und Weise, die ihm normalerweise so suspekten Sozialen Medien zu bedienen.
Bei den Gesprächen mit den Gästen, also dem eigentliche Kern der Sendung, deren Konzeptmix aus Talk und Showeinlagen sich an den traditionellen TV-Jahresrückblicken orientiert, bleibt Gottschalk dann gewohnt oberflächlich, aber professionell, überraschend zurückhaltend und zunächst auch kurzweilig. Es geht um Terrorangst bei der EM, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz darf die Bühne nutzen, um für Europa und seine Person zu werben, ehe die syrische Schwimmerin Yusra Mardini, die nach ihrer Flucht im Schlepperboot aus Damaskus nun für Deutschland bei den Olympischen Spielen in Rio startet, von ihrem Schicksal berichtet.
Moderator auf Autopilot
Bei der Produktpräsentation eines selbstfahrenden Autos, das Mercedes-Chef Dieter Zetsche zusammen mit Niki Lauda ausgiebig bewerben darf, schaltet dann aber auch der Moderator auf Autopilot. Nachdem er zum Ende des „Tatorts“ noch einmal schelmisch die neuen Zuschauer direkt begrüßt, wird das Problem des Abends überdeutlich: die offizielle Sendezeit ist noch nicht einmal zur Hälfte vorbei!
Es folgen Gespräche mit einem „Wer wird Millionär“-Millionengewinner, Günther Jauch am Telefon, der Freundin des bei „Wetten, dass…?“ verunglückten Schauspielers Samuel Koch und später auch Koch selbst, einer jungen Leukämie-Erkrankten, Flutopfern aus Kaltenbach, einem deutschen Großcousin von Donald Trump sowie Showeinlagen von Kabarettist Florian Schroeder und Sängerin Nena.
Und schließlich werden halt noch schnell die in einer Saalwetten-ähnlichen Aktion herbeigeorderten Hunde abgehandelt. Als sich Gottschalk um kurz vor zwölf endlich verabschiedet, um Sänger Mark Forster für seinen aktuellen EM-Song die Bühne zu überlassen, hat er offiziell noch nicht einmal überzogen.
Es ist einfach viel zu lang für eine Sendung ohne dramaturgische Höhepunkte. Gottschalk hat zwar gezeigt, dass er noch immer recht unterhaltsam und weitgehend unpeinlich durch eine solche Sendung führen kann – wenn die Hintergrundarbeit stimmt. Aber der Spannungsbogen des auf Epos angelegten Zeitkonzepts kann der Sendung nicht annähernd gerecht werden.
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