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Gott mit dir, du Fernsehen der Bayern

Beim BR konkurrieren diesmal sogar zwei Kandidaten um den Posten des Intendanten

von KONRAD LISCHKA

Heute wird der neue Intendant des Bayerischen Rundfunks gewählt und die Welt staunt, weil tatsächlich zwei Kandidaten gegeneinander antreten. Ein strammer Konservativer, der bisherige Fernsehdirektor Gerhard Fuchs, gegen einen Liberalkonservativen, den bisherigen Hörfunkdirektor Thomas Gruber. Damit nicht genug: Jeder der beiden könnte gewinnen. Ist das noch Bayern? Regiert hier eigentlich noch die CSU?

Natürlich regiert die CSU, nur wählt sie nicht den BR-Intendanten – zumindest nicht direkt. Das tut der Rundfunkrat, ein Gremium, dessen Daseinszweck und Organisationsform in der aktuellen Diskussion leider vollkommen vergessen werden.

In einer Erklärung zur Rundfunkfreiheit, verfasst von den Amerikanern 1946, heißt es: Das Rundfunkwesen „wird weder direkt noch indirekt eine Schachfigur der Regierung werden, sondern es wird in freier, gleicher, offener und furchtloser Weise dem ganzen Volk dienen“.

Diesen schönen Satz sollten einmal alle Politiker in Bayern und dem Rest Deutschlands lesen. Markus Söder zum Beispiel, der Chef der Jungen Union und Vorsitzende der CSU-Medienkommission, der da im Frühjahr im Parteivorstand kundtat, die CSU dürfe sich die Intendantenwahl nicht aus der Hand nehmen lassen. Aber auch Bayerns SPD-Chef Wolfgang Hoderlein, der sagte, SPD und Grüne hätte auf die Benennung eigener Kandidaten verzichtet, da diese völlig chancenlos seien. Beide haben nicht verstanden, dass der bayerische Rundfunkrat ebenso wenig wie der Bayerische Rundfunk parlamentarische Mehrheiten abbilden soll. Sonst könnte er seine wesentlichen Funktionen kaum erfüllen: Wenn der Rundfunk die bestehenden Ziele der Parteien repräsentiert, kann er nicht neue Anliegen der Bevölkerung artikulieren. Würde er die politischen Verhältnisse schlicht replizieren, so könnte er nicht Medium der Meinungsbildung sein, was nun einmal ein Teil seiner öffentlichen Aufgabe ist.

Deshalb gilt für Fernsehen und Radio das Gebot der Binnenpluralität. Und deshalb müssen die öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehprogramme alle „gesellschaftlich relevanten Meinungen“, wie es sinngemäß in allen Landespressegesetzen heißt, abbilden. Formal sind die Voraussetzungen dafür gegeben: Von den 47 Mitgliedern des Rundfunkrats in Bayern sind lediglich 7 offizielle Vertreter der regierenden CSU. Landtag und Regierung dürfen laut bayerischer Verfassung nicht mehr als ein Drittel des Rundfunkrate stellen. Die Mehrheit der Mitglieder vertritt Kirchen, Gewerkschaften und andere gesellschaftlich relevante Gruppen: Die Vertreter der Gesellschaft werden indes bei Abstimmungen sehr schnell zu Vertretern bestimmter Parteien.

So berichtete etwa die Süddeutsche Zeitung in der vergangenen Woche, die CSU-Führung sei sich dreier Stimmen Vorsprung für ihren Kandidaten Gerhard Fuchs – den bisherigen TV-Chef des BR – im Rundfunkrat sicher. Die Stärke der CSU ist es, dass sie mehr noch als andere Parteien zahlreiche Interessengruppen in die Partei integriert oder mit CSU-Mitgliedern besetzt. So findet Meinungsbildung innerhalb der Partei statt und wird gar nicht erst bei Wahlen oder im Parlament ausgetragen.

Dennoch kann diese Partei kaum beanspruchen, alle Bevölkerungsgruppen zu repräsentieren. Wenn Markus Söder oder der bayerische Finanzminister Kurt Faltlhauser es als selbstverständlich darstellten, dass ihre Partei den Intendanten bestimmt, ist das zwar in gewissem Maße leider wahr – missachtet aber die Grundsätze des Hauses.

Gegen einen Intendanten mit konservativen und christlichen Überzeugungen ist in Bayern nichts einzuwenden. Gegen einen CSU-Intendanten schon. Gerhard Fuchs wird mit hoher Wahrscheinlichkeit heute zum Intendanten gewählt werden. Gegenkandidat Thomas Gruber hatte ja 1996 sogar Bedenken, die CSU-Medienkommission zu besuchen. Als die Partei ihm versicherte, dass da „nicht gekungelt“ werde, ging er doch hin. Der Funktion des Rundfunkrates nach müsste eigentlich Gruber der aussichtsreichere Kandidat für Bayern sein: ein Konservativer, der jedoch für eine gewisse Meinungsvielfalt eintritt und seine Wertüberzeugungen nicht an eine konkrete Partei bindet. Doch Grubers Wahl wäre eine Überraschung und würde zunächst nichts an dem Problem der Binnenpluralität beim BR ändern. Der noch amtierende BR-Intendant Albert Scharf brachte dieses 1995 sehr schön auf den Punkt, als er sich gegen Kritik an der übergroßen Präsenz des CSU-Agrarministers Reinhold Bocklet in der Sendereihe „Unser Land“ wehrte – man brauche auch „Auskünfte von kompetenter Seite“.

Derlei kommt natürlich nicht nur in konservativ regierten Bundesländern vor. Dass der WDR eher links steht, ist heute merkwürdigerweise allseits akzeptierter common sense. Binnenpluralität ist nicht nur in Bayern eben eher Ideal als Realität. Da sagte Konrad Adenauer: „Jeder Zeitungsverleger und jeder Journalist und vor allem der Rundfunk hat die Pflicht, auch das Positive hervorzuheben, was geleistet wird.“ In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch zu zwei Kandidaten, Bayern.

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