Golfen und seine Folgen: Man neigt zu Schrullen

Wenn Golfer zu oft spielen, neigen sie zu Charakterdeformationen. Über das Schweigen und Ansprechen eines speziellen Völkchens.

Detailansicht: Schuhe eines Golfers, der Schläger und ein Ball auf grünem Rasen

Zu viel Golfen kann zu einer Deformation des Charakters führen Foto: Norbert Schäfer/PanthermediaF

Zum Jahresende 2021 haben wir uns schon mit diversen üblen Folgen übermäßigen Golfens beschäftigt: Missverständnisse daheim, Grotesken im Alltag, schleichende Charakterdeformation. Alles scheint dem Golfer Golf, immerzu und überall. Und im Endstadium kann Morbus Golf für Isolation, Knast und Psychiatrie sorgen.

Wir bleiben beim Beispiel golfender Mann in einem wenig golfaffinen Umfeld: Wenn der Golfmaniac jemanden ansprechen will, etwa auf der Straße, schweigt er. Dieses Paradoxon begründet er mit den Verhaltensregeln auf dem Platz – wenn jemand den Schläger vor den Ball setzt und gleich losschwingen will, heißt das ansprechen. „Und beim Ansprechen redet man nicht. Das stört die Konzentration.“

Beim Shoppen geht der golfkranke Vati nicht mehr neben Mutti, sondern immer ein Stück dahinter. „Damen haben immer eine etwas verkürzte Bahn. Das finde ich sehr fair.“ Er hält sich für einen Frauenversteher, aber er versteht nicht die Reaktionen seiner Mitmenschen, die sein Hinterherlatschen verstörend finden. Auch nicht, wenn er sich bei einer Wanderung weigert, einen Weg zu gehen, der mit grünen Pfählen gekennzeichnet ist: „Nein, da dürfen wir nicht lang, grüne Pfosten bedeuten Biotop: Betreten strengstens verboten!“

Seine Instinkte, verlorene Bälle adleraugenhaft in Gebüschen und Wäldern zu erspähen, geben ihm beim Ostereiersuchen zunächst einen Vorteil. Er findet sofort alles, den Kindern aber vergeht schnell die Lust. Noch schlimmer: Blau gefärbte Eier will er „besser legen“, wie das laut Golfregeln für einen Ball in blau markiertem Terrain („Boden in Ausbesserung“) üblich ist. Dann droppt er die blauen Eier regelkonform aus Kniehöhe. Erwartungsgemäß sind danach alle kaputt. „Als Henne wärst du ungeeignet“, wird die pubertierende Tochter höhnen.

18: Loch Ness

Bei einem Ausflug, ausgerechnet ins Golfdorado Schottland, bekommt unser Golfer Ärger, weil er ständig die Einrichtungen für Behinderte nutzt, etwa Sitzplätze im Bus. „For handicapped people only, das steht doch da! Ich habe Handicap 7. Hier ist mein Clubausweis.“

Sieht er als Beifahrer auf der Straße einen weißen Pfahl am Rand, reagiert er mit einer Panikattacke: „Weiß heißt Aus! Aufpassen!“ Fährt die Gattin darüber, wird er verlangen, zurückzusetzen und noch mal vom Start loszufahren. „Gibt zusätzlich einen Strafschlag.“

Kurven auf der Landstraße schneidet er gern. Er nennt das „tiger line fahren“, so wie er auf seinem Golfplatz auch manchmal den direkten Weg Richtung Fahne per „tiger line“ sucht, mögliche Gefahren durch Bäume mutig ignorierend. An einem Fußgängerüberweg fährt er schließlich fast jemanden an. Gegenüber der Polizei rechtfertigt er sich: „Ich habe doch laut Fore gerufen.“ Fore rufen GolferInnen, wenn ihr Ball versehentlich jemandem nah zu kommen droht, dann soll man sich sofort bücken, Hände schützend über den Kopf. „Der ist trotz Fore! einfach weitergegangen. Das ist lebensgefährlich. Klären Sie mal lieber, Herr Wachtmeister, in welchem Club der seine Lauferlaubnis gemacht hat.“ Knapp entgeht er einer Festnahme samt vorsorglicher Begutachtung in der Psychiatrie.

Zum Irrsinn ist es nicht mehr weit. Die Isolation schreitet voran. Unser Golfer fühlt sich immer unverstandener. Und was macht er dann? Geht zur Entspannung noch häufiger auf den Platz, abschalten, durchpusten. Der Teufelskreis schließt sich.

Aus Golfers Abc der Vorurteile, heute Z wie Zeit: „Das dauert doch ewig. Golf wäre mir viel zu zeitaufwändig.“ Wahr ist das nur teilweise: Ein Boxkampf kann schon nach zehn Sekunden vorbei sein, das schon. Und eine Golfrunde allein dauert gut drei Stunden, zu zweit etwa dreieinhalb. Aber selbst ein Fußballspiel währt mit An- und Abreise, Warmmachen, Duschen danach und 3. Halbzeit manchmal einiges länger. Wenn man golft, spart man sich übrigens so manchen zeitaufwändigen Spaziergang ohne Stöcke in der Hand. Golfen heißt eben auch: Wandern mit Sinn.

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Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

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