Göttinger Friedenspreis für Äbtissin: Mutter Mechthild ist Mutter Courage
Eine Äbtissin, die Menschen Kirchenasyl gewährt und der deshalb eine Gefängnisstrafe droht, erhält zusammen mit Seebrücke den Göttinger Friedenspreis.
Doch die Staatsanwaltschaft stellt Matthäus 25,35 die eigene Lektüre gegenüber: „Verdacht der Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt in drei Fällen gemäß §§ 95 Absatz 1 Nr. 2 AufenthG, § 27 StGB“. Auf Deutsch: Äbtissin Mechthild Thürmer muss vor Gericht. Von einer „empfindlichen Freiheitsstrafe“ ist sogar die Rede.
Zuerst hatte man es ja noch mit einem Strafbefehl versucht: 2500 Euro sollte die Klosterchefin zahlen, weil sie eine Eritreerin vor der Abschiebung bewahrte. Und gut wäre es gewesen. Aber auf den Einschüchterungsversuch ließ sie sich nicht ein. Notfalls gehe sie lieber ins Gefängnis, als dafür Strafe zu zahlen, dass sie jemandem in Not geholfen habe, sagt sie. Für diese Zivilcourage erhält die 62-Jährige nun den Göttinger Friedenspreis 2021.
Thürmer teilt sich den Preis mit der Bewegung „Seebrücke“, die die Kampagne „Sichere Häfen“ ins Leben gerufen hat. „Die Preisträger“, so die Jury, „werden ausgezeichnet für ihr Engagement für sichere Fluchtwege und eine gesicherte Aufnahme von Menschen, die versuchen,aus lebensbedrohlichen Gewaltsituationen nach Deutschland und in andere europäische Staaten zu gelangen und dort Aufnahme und Schutz zu finden.“
Preisverleihung im März
Die Bewegung „Seebrücke“ gründete sich Ende Juni 2018. Damals musste das Seenotrettungsschiff „Lifeline“ mit 234 Menschen an Bord tagelang im Mittelmeer auf hoher See ausharren, weil es in keinem europäischen Hafen anlegen konnte. Die Seebrücke engagiert sich gegen die Kriminalisierung von Seenotrettung und initiierte die Kampagne „Sichere Häfen“. Ihr haben sich mittlerweile 169 deutsche Städte angeschlossen und die Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge angeboten.
Der Preis soll, so Corona es erlaubt, am 6. März 2021 im Deutschen Theater Göttingen verliehen werden – mit einem prominenten Laudator: dem ehemaligen Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?