Glück finden in Brandenburg: Kommt raus, ihr Glücklichen!

In Brandenburg sind die Menschen glücklich. Eine Suche im deutsch-polnischen Grenzgebiet.

Ein Sonnenaufgang in orange und blau über dem Fluss Oder an der Grenze zu Polen. Im Hintergrund ist die Stadt Frankfurt (Oder) zu sehen.

Nicht alles Chanel und trotzdem vieles okay in Brandenburg Foto: Patrick Pleul

Brandenburg ist das glücklichste Bundesland in Ostdeutschland, bundesweit auf Platz fünf. Das sagt der Glücksatlas 2022, erstellt von der Uni Freiburg. Mein erster Gedanke dazu: ausdrucken und als Poster wild plakatieren! Damit das alle erfahren, die mir hier in Frankfurt an der Oder oft so unglücklich vorkommen.

Zweiter Reflex: das Glück suchen. Ich bummle durch die Stadt, spaziere am Grenzstrom, fahre Tram, Bus und Bahn, plaudere mit Menschen. Die Stimmung ist: „Könnte besser sein, aber geht schon.“ Ist das schon Glück, wenn’s nicht beschissen ist?

Der Atlas definiert Glück als umfassende Zufriedenheit in den Bereichen Arbeit, Familie, Vermögen, Konsum, Gesundheit − ergänzt durch individuelle Faktoren.

Bei Arbeit, Familie und sogar Vermögen sehe ich unsere Chancen zum Glücklicher-als-anderswo-Sein: Fachkräftemangel statt Arbeitslosigkeit, soziales Netz statt Anonymität. Niedrigere Preise für Wohnen und Leben ermöglichen Auskommen mit wenig Einkommen.

Großes Minus aber: Die Gesundheitsversorgung ist in der Provinz wirklich nicht gut. Fachärzte sucht man in fernen Metropolen, weil die wenigen Praxen hier überrannt werden. Heißt also: Hauptsache, gesund, das ist schon Glück? Nah dran am Lebensgefühl hier, finde ich.

Glück und Unglück in Lubuskie

Auf polnischer Oderseite gibt es eine ähnliche Studie, von Immobilienagenturen und über städtisches Glück. Aber mit ähnlichen Schlüsselfaktoren: Finanzen und Konsum, Umwelt, Infrastruktur und Gesundheit.

Laut „Glückliches Heim“ 2022 folgt auf Gdańsk und Gdynia an der Ostsee schon Zielona Góra, ehemals Grünberg und eine Hauptstadt unserer Nachbarwojewodschaft Lubuskie, als drittglücklichste Stadt.

Auch das nördlichere, grenznahe Szczecin (Stettin) ist unter den Top 10. Andererseits ist die zweite Lubuskie-Hauptstadt (ja, es gibt zwei!) Gorzów Wielkopolski (ehem. Landsberg a. d. Warthe) auf dem vorletzten Platz − als zweitunglücklichste Stadt Polens.

So weit, so unklar. Dann die Überraschung: Das Glück zeigt sich in Uniform! Nämlich zum 15-jährigen Bestehen des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit, das bald vom Autobahnbüro Świecko in die Słubicer Innenstadt umziehen darf.

Hier, im ehemaligen Wohnheim der Poznańer Universität, sitzen bald Polizei-, Zoll- und Grenzschutz, die jene deutsch-polnische Arbeit in echt machen, die dank „Polizeiruf 110“ berühmt ist: Jährlich 500 grenzüberschreitende Autoverfolgungen, 25.000 Ersuchen um Informationsaustausch und Ermittlungszusammenarbeit insgesamt. Auch Tausende Migrierende aufgreifen, doch das wird am Feiertag nur kurz erwähnt.

Viele hier − darunter Polens Botschafter sowie Vertretende Brandenburgischer und Berliner Behörden − erinnern sich lieber an die Anfänge 2007, als Polen dem Schengen-Raum beitrat: Sprachen und Rechtsgrundlagen mussten gebüffelt werden. Die Stimmung war wenig zuversichtlich.

Heute braucht die Mehrheit der Feiernden keine Übersetzungskopfhörer mehr. Aus fremden Kol­le­g*in­nen sind enge Bekannte, gar Freunde geworden, die sich lachend auf die Schultern klopfen.

Eine Polizei-Jazz-Combo spielt auf, glänzende Lederschuhe wippen im Takt − stilsicher und zufrieden zu James Brown: „And I feel nice, like sugar and spice, 'cause I got you. And I feel good!“

Gefunden: ein Stückchen Grenzregion-Glück.

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Jahrgang 1988, freie Autorin, wohnhaft in Frankfurt (Oder). Themenschwerpunkte: Gesellschaft und Kultur jenseits von Berlin in östlicher Richtung. In der taz erkundet sie monatlich die liebenswürdigen Widersprüche der deutsch-polnischen Oder-Grenzregion (Kolumne grenzwertig) und berichtet aus der Ukraine.

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