Globaler Klimastreik am Freitag: Proteste von Kapstadt bis Wien
Überall auf der Welt protestieren Menschen für mehr Klimagerechtigkeit. In Berlin kommt auch Greta Thunberg auf die Demo.
„Keine halbherzigen Kompromisse mehr – Die Klimakrise erfordert eine Politikwende“, verlangt der Umweltverband BUND. Zur Debatte über Kosten des Klimaschutzes erklärt der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt: „Wenn wir jetzt nicht handeln, sind die Kosten viel höher.“
FFF-Aktivistin Luisa Neubauer fordert von der kommenden Bundesregierung einen Klimaschutz, der radikaler sein müsse „als jemals zuvor angedacht“. Sie sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Freitag: „Man wird nach der Wahl versuchen Ausreden zu suchen, warum man konsequenten Klimaschutz doch nicht umsetzen kann.“ Dabei wisse man längst, dass breite Mehrheiten hinter dem Klimaschutz stünden: „Die Politik ignoriert die wissenschaftlichen Warnungen auch im Jahr 2021, aber uns auf der Straße kann sie nicht ignorieren.“
Bei dem seit 26 Tagen andauernden Hungerstreik am Reichstag versammelten sich spontan immer wieder Passant:innen und unterstützen die Streikenden. „Danke für all die Solidarität über die letzten Wochen!“, schreiben die Organisator:innen auf Twitter. Kurz vor den Demonstrationen hat eine Sprecherin von FFF den Hungerstreik verteidigt. „Ich finde es vor allem erstmal erschütternd, dass junge Menschen in Anbetracht des politischen Versagens, das wir im Bereich der Klimakrise erleben, das Gefühl haben, zu diesem Mittel greifen zu müssen“, sagt die FFF-Sprecherin Carla Reemtsma. FFF selbst ruft allerdings nicht zum Hungerstreik auf. Zum globalen Klimastreik schreibt sie auf Twitter: „Wir werden die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen nicht hinnehmen!“
Verzweifelt wegen des Hochwassers
In Köln treffen sich Aktivist:innen unter anderem an den Uniwiesen. „Ich komme aus Erftstadt“, sagt Jonathan May auf die Frage, warum er an der Klimademo in Köln teilnimmt. Das nordrhein-westfalische Erftstadt traf das Hochwasser vor sechs Wochen hart. Mays Elternhaus wurde schwer beschädigt. Er sei bisher „kein krasser Demogänger gewesen, sagt May. Aber die Hochwasserkatastrophe haben ihn „wütend und verzweifelt“ gemacht.
Corinna Mayer geht am Sonntag zur Wahl. Die 21-Jährige deutet an, dass sie dieses Mal nicht die Grünen wählen will und dass es mit Annalena Baerbock zu tun haben könnte. Ihr Klimaanliegen hat May mit schwarzem Filzer auf braune Pappe geschriebenen: „Help more Bees; Plant more Trees; Clean the Seas“.
Die Uniwiese ist einer von drei Punkten, an denen in der Kölner Innenstadt die Klimademos starten, um sich am Neumarkt zu vereinigen und dann gemeinsam über die Deutzer Brücke zur Abschlusskundgebung zu ziehen. Um 15 Uhr will SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz auf dem Heumarkt wahlkämpfen. Da dürfte die Klimademo schon weg sein.
Verstärkung aus Mexiko
In Wien gab es schon am Donnerstag Proteste. „Au statt Stau“, „Lobau bleibt“, sind die Slogans, mit denen eine Gruppe von Greenpeace-Leuten am Donnerstag den Vorraum des Büros von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) besetzte. 24 Stunden später war der Stadtvater der Aufforderung, eine Schnellstraße durch das Naturschutzgebiet Lobau abzusagen, noch nicht nachgekommen. „Er verweigert das Gespräch“, hieß es bei Greenpeace.
Währenddessen sammelten sich am Praterstern mehrere hundert mehrheitlich jugendliche Demonstrierende. Die Versammlung gipfelte am Nachmittag mit einer Kundgebung am Heldenplatz. Eine Delegation der mexikanischen Zapatistas verstärkte sie. Vor zehn Tagen sind sie in Wien angekommen und inzwischen über halb Europa ausgeschwärmt, um über ihr Autonomieprojekt im Bundesstaat Chiapas zu berichten.
Der 24. September ist auch ein Tag des weltweiten Protestes gegen den Krieg niederer Intensität in Chiapas unter dem Motto „Keine Angriffe mehr auf zapatistische Gemeinden“. Die Menschenrechtsorganisation Südwind fordert von reichen Industrienationen mehr Unterstützung für die von der Klimakrise besonders hart getroffenen ärmeren Weltregionen. „In Bezug auf Klimagerechtigkeit ist Österreich ein echtes Negativbeispiel und hinkt in allen Belangen hinterher“, sagt Geschäftsführer Konrad Rehling. Auch in den österreichischen Landeshauptstädten zogen Klimastreikende durch die Straßen.
Im südafrikanischen Kapstadt demonstriert ein Bündnis der „Climate Justice Coalition“ gegen die Energiepolitik der Regierung. Es fordert eine Abkehr von der Kohle und mehr Investitionen in erneuerbare Energien. „Die Klimakrise wird die Coronakrise wie eine Teeparty aussehen lassen“, sagt Extinction-Rebellion-Aktivistin (XR) Sunny Morgan. Der südafrikanische Energieminister Gwede Mantashe solle zurücktreten. Schon Donnerstag ketteten sich XR-Aktivist:innen an ein Büro des Energieministeriums (DMRE). Außerdem inszenierten sie Leichen, die die Folgen der Kohlepolitik symbolisieren sollen.
Lockdown in Australien
In Australien demonstriert dieses Jahr niemand, da das Land wegen des Coronavirus noch im Lockdown ist. „Es ist frustrierend, nicht streiken zu können, wenn wir heute eigentlich auf der Straße sein sollten“, sagt FFF-Sydney-Aktivistin Patsy Islam-Parsons der taz. Sie wünschte allen, die streiken können, viel Erfolg. Denn schließlich warte die Klimakrise nicht. 2019 und 2020 weiteten sich Buschbrände in Australien auf 126.000 Quadratkilometer aus, mehr als drei Milliarden Tiere starben. Auch andere Erdteile spüren die Klimakrise jetzt schon.
Auf den Philippinen versammelten sich Demonstrierende in der Hauptstadt Manila. „Sea is rising, so are we“, schrieben sie auf ihren Plakaten. Die Proteste vereinten junge Leute, Städter:innen und auch Fischerleute. Die Philippinen sind unmittelbar bedroht, sollten der Meeresspiegel weiter ansteigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind