Globale Mindeststeuer für Konzerne: Polen blockiert Umsetzung
140 Staaten wollen Firmen Steuerdumping erschweren. Weil Warschau dagegen ist, kommt die Umsetzung in der EU nicht voran.
Berlin/Brüssel dpa/rtr/taz | Die globale Mindeststeuer lässt weiter auf sich warten. Die europäischen Finanzminister hätten sich nicht auf eine gemeinsame Umsetzung einigen können, sagte der deutsche Ressortchef Christian Lindner (FDP) am Dienstag in Luxemburg. Alle Länder bis auf Polen seien sich einig gewesen. Steuerfragen erfordern in der aus 27 Ländern bestehenden Europäischen Union aber stets Einstimmigkeit.
Knapp 140 Staaten hatten sich im Oktober 2021 auf die Details für eine globale Steuerreform geeinigt. Dazu gehört eine Mindeststeuer in Höhe von 15 Prozent für international agierende Unternehmen. Außerdem sollen Schwellenländer mehr von den Einnahmen der größten Konzerne der Welt abbekommen. Steueroasen sollen auf diese Weise ausgetrocknet und vor allem große Digitalkonzerne stärker in die Pflicht genommen werden. Die neuen Regeln sollen ab 2023 greifen. Der Zeitplan gilt als sehr ambitioniert und ohnehin nur schwer einzuhalten.
Vor allem der französische Finanzminister Bruno Le Maire zeigte sich nun verärgert. Man sei Polen weit entgegengekommen, sagte der amtierende Vorsitzende des Ecofin-Rats. Er verstehe nicht, warum Polen die Zustimmung verweigere. Die Erklärung sei wohl in Warschau zu suchen, so Le Maire.
Nach Angaben der Regierung in Warschau hat das Land Bedenken, dass die von Frankreich vorgeschlagene Umsetzung nicht dazu führen wird, dass große Konzerne künftig Steueroasen meiden. Es fehle an Rechtsverbindlichkeit.
Der französische EU-Vorsitz wollte die globale Mindeststeuer möglichst schnell verabschieden. Dass Polen nun kurz vor der französischen Präsidentschaftswahl „Nein“ sagt, findet man in Paris umso ärgerlicher. Die Sorgen aus Warschau seien berücksichtigt worden, so Le Maire. Andere Staaten hätten auch Zugeständnisse gemacht. Vor einem Monat hatten auch Schweden, Malta und Estland eine Einigung noch blockiert, nun aber nicht mehr. Le Maire sagte, er werde das Thema nächsten Monat wieder auf die Tagesordnung setzen.
Es sei bedauerlich, dass es kein Signal der Geschlossenheit in Europa gebe, sagte Lindner. Zwar dürfe die Steuerlast für Unternehmen nicht zu hoch werden, Steuerdumping sei aber abzulehnen.
Leser*innenkommentare
tomás zerolo
"... ist kein EU Thema."
Es sei denn, die Länder der EU einigen sich darauf.
DiMa
@tomás zerolo Jupp mag sein.Ich bin ein großer Fan der EU in Gestalt der Grundlageverträge und mag dieses Gemauschel nicht.
Ferner will sich die EU zeitgleich 15 Prozent als Eigenmittel zusichern lassen. Angesichs der Tatsache, das Deutschland keine Mehreinnahmen aus der Mindestbesteuerung erwartet, wäre dieser Deal für unser Steueraufkommen sogar eher schädlich.
Ich hoffe daher auf Polen und eine Mindestbesteuerung ohne EU. Das beugt auch einer Ausuferung der Kosten dirch die EU vor.
tomás zerolo
@CUBA LIBRE
Jaja, es ist tragikomisch, wie die Gesellschaften, die am meisten gegen Liberalismus wettern gleichzeitig die brutal-neoliberalsten sind.
Hat was vom brandstiftenden Feuerwehrmenschen.
tomás zerolo
@DIMA
Warum das alles was für die Reiche ist, vgl. [1], [2]. Ich denke, das ist allgemein bekannt, deshalb nur Links.
Zu "Jedes Land...", nun, manchmal raufen sich Länder in grösseren Verbänden zusammen, um z.B. ein Binnenmarkt zu betreiben, Freizügigkeit zu vereinbaren, gemeinsame Regeln für andere Dinge zu beschliessen (Industrienormen, Academia, was auch immer).
Ein konkretes Beispiel eines solchen Vereins ist die EU. Wenn sich die "Länder", wie Sie so schön schreiben, auf einen Mindeststeuersatz einigen, um eben dieses "race to the bottom" zugunsten der Reichen und Hyperreichen etwas zu begrenzen, dann ist das wohl in Ordnung. Das wird wohl in Abstimmung und Abgleich mit den jeweiligen nationalen Gesetzgebungen stattfinden, in diesen Dingen hat die EU bereits etwas Übung.
[1] de.wikipedia.org/wiki/Steuerwettbewerb
[2] de.wikipedia.org/w...Race_to_the_bottom
DiMa
@tomás zerolo Na aus den von Ihnen zitierten Quellem ergibt sich ja bereits, dass die EU keine Kompetenz im Bereich des Körperschaftsteuerrechts hat. Ergo hat sie auch kein Mitspracherecht bei der Einführung eines Mindeststeuersatzes und versucht dies jetzt duch ein Hintertürchen.
Mein Diskussionsansatz geht dabei weder in Richtung Arme oder Reiche sondern kritisiert, dass die EU von sich aus Kompetenzen immer weiter ausweitet obwoh dies in den Grundlageverträgen nicht vorgesehen ist.
Im Übrigen möchte die EU am Steueraufkommen beteiligt werden (unter anderem um ihre Schuden zurück zu zahlen) was ebenfalls nicht vorgesehen ist.
Wenn sich einzelne Länder dagegen wehren, dann ist das ihr gutes Recht.
Nochmals, das Thema Mindestbesteuerung ist kein EU Thema.
cuba libre
Polen blockiert Umsetzung
Alle Länder bis auf Polen seien sich einig gewesen.
Schämt euch!!!
Korruption lässt grüßen!!!
tomás zerolo
@DIMA
Immer wieder rührend, wie Sie sich um Reiche sorgen.
DiMa
@tomás zerolo Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen der Frage der Zuständigkeit und dem Lobbyismus für Reiche.
Jedes Land soll die Regelungen halt entsprechend der geltenden EU-Kompetenzordnung eigenständig einführen und umsetzten.Und vor allen Dingen, jedes Land soll die Einnahmen aus der Steuer auch behalten.
DiMa
Weshalb wird in dieser Frage überhaupt ein EU Konsenz gesucht?
Für die Körperschaftsteuer hat die EU keine Zuständigkeit daher Bedarf es keiner gemeinsamen Abstimmung. Wenn dann halt ein, zwei, drei oder mehr Länder anderer Meinung sind, dann ist das alleine ihre Sache.
Hier versucht die EU durch das Hintertürchen der Mindestbesteuerung einen Fuß in die Körperschaftbesteuerung zu bekommen. Wäre nicht weiter überraschend, wenn die EU einen Teil des Steueraufkommens für sich vereinnahmen wollen würde.
Kawabunga
War es nicht bis vor wenigen Jahren noch 'Schland, welches das Stopfen von Steuerschlupflöchern auf EU-Ebene massiv behindert hat?
Grenzgänger
> Es ist entlarvend, wie ausgerechnet eine Regierung, die auf dem schmutzigen Schaum der Ressentiments surft (ausgelöst durch zu viel globalisiertem Neoliberalismus) eben diesem Neoliberlalismus dient.
Ich verstehe nur Bahnhof...
Ich warte lieber auf den erläuternden Kommentar von Ulrike Herrmann!
tomás zerolo
@SCHÄNGEL
Das ist eine Nebelkerze. In der EU werden gemeinsam Richtlinien beschlossen. Die einzelnen Mitglieder setzten das dann in Gesetze um. Deshalb die umständliche Abstimmung im Vorfeld.
Es ist entlarvend, wie ausgerechnet eine Regierung, die auf dem schmutzigen Schaum der Ressentiments surft (ausgelöst durch zu viel globalisiertem Neoliberalismus) eben diesem Neoliberlalismus dient.
All diese "illiberalen Demokratien" tun das. Sie scheinen der letzte Trick des freidrehenden Kapitals zu sein. Faszinierend.
Ende der 1920ern konnten wir eine ähnliche Mutation in Europa bewundern.
Schängel
Das wäre ja mal ein guter Job für einen Wirtschaftsjournalisten aufzuarbeiten, ob die Polen vielleicht recht haben und wirklich die rechtsverbindlichkeit fehlt?