Gleichberechtigung bei Schützengilde: Männer schießen einsam
Ein neuer Antrag fordert eine Öffnung des Kinderschützenfests in Wildeshausen für Mädchen. Viel Hoffnung auf Erfolg hat der Initiator nicht.
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Fristgemäß bis Mitte Januar haben 20 Schützenbrüder den Antrag gestellt, das Thema „Gleichberechtigte Teilnahme von Jungen und Mädchen am Kinderkönigsschießen“ in die Tagesordnung aufzunehmen. Die Frage hatte im vergangenen Jahr Teile der Stadtgesellschaft gespalten. 1.500 Unterschriften waren für eine Beteiligung von Mädchen in einer Onlinepetition gesammelt worden, mehrere Hundert noch einmal vor Ort – wie viele genau, das ist nicht bekannt: Eine Liste mit Unterschriften sei geklaut worden, erzählten Mitglieder der Initiative beim vergangenen Schützenfest der taz.
Die Schützengilde hatte damals scharf auf die Petition reagiert: Der Text sei „tendenziös“, und die wahren Beweggründe seien „ganz anderer Natur“, das Kinderschützenfest nur ein Vorwand. Gemeint war: Ein Vorwand, um irgendwann den ganzen Schützenverein auch für Frauen zu öffnen.
Die Frage ist über klassische Schützenkreise hinaus von Interesse, denn in Wildeshausen ist die Schützengilde nicht irgendein Verein: 3.700 Mitglieder hat die Gilde in der 20.000-Einwohner-Stadt, ausschließlich Männer. Angeführt werden die Schützen von den sogenannten Offizieren – und vom General, dem jeweiligen Wildeshauser Bürgermeister (männlich). Für das Gildefest am Pfingstdienstag ist die ganze Stadt auf den Beinen – Geschäfte haben ohne weitere Erklärung geschlossen, der Pfingstdienstag ist in Wildeshausen einfach allgemeiner Feiertag.
Teilnahme von Mädchen ist weiter umstritten
Zurückgegangen war das Vorhaben, zumindest das Schießen beim Kinderschützenfest für alle Kinder bis 14 zu öffnen, im vergangenen Jahr auf die Initiative von vier Schülerinnen. Auf der Suche nach einem Gildemitglied, das den Antrag in diesem Jahr formal korrekt einbringen könnte, hat eine von ihnen ihren ehemaligen Lehrer Heiner Krieger gewinnen können.
Auf den ersten Blick sehen die Erfolgsaussichten ganz gut aus: Bei der Kompanieversammlung Huntetor im Dezember, einer vorbereitenden Sitzung einer lokalen Untergruppe, wurde bereits ein Stimmungsbild eingeholt. Zwei Drittel der Anwesenden stimmten für Mädchen beim Kinderkönigsschießen. Ein Jahr zuvor, bei der Kompanieversammlung Westertor, hatten bei einer Abstimmung noch 86 Prozent gegen die Öffnung gestimmt.
Doch Krieger dämpft die Hoffnung: Dass sein Antrag „in diesem Anlauf“ durchkommt, hält er für eher unwahrscheinlich. Bei der Kompanieversammlung stimmten nur 36 Menschen ab, viele davon aus Kriegers eigenem Freundeskreis. „Wir bilden vielleicht nicht ganz den Durchschnitt ab“, gibt er zu bedenken. Über die Sitzung selbst hatte die Kreiszeitung berichtet, sie sei „turbulent“ verlaufen: Die Rede ist von aufgebrachten Offizieren, die indirekt drohten, überhaupt kein Gildefest auszurichten, wenn ihnen Engagement und Laune verdorben würden.
Auch im Lehrerkollegium und mit der Schülerschaft sei das Thema durchaus präsent, erzählt Krieger. Zumindest unter den Schüler*innen sei die Stimmung ziemlich gespalten. „Es gibt auch unter ihnen viele Traditionalisten“, so der Lehrer.
Bürgermeister positioniert sich nicht
Vorstellen werde den Antrag in der Generalversammlung die Sitzungsleitung, sei ihm bereits mitgeteilt worden. „Ich hoffe aber, dass uns als Befürwortern ein Rederecht eingeräumt wird.“ Sorgen macht sich der Gymnasiallehrer, weil es schon bei der Kompanieversammlung im Dezember hieß, der Antrag werde ihnen in dieser Formulierung „um die Ohren fliegen – aber was genau, das wurde uns nicht mitgeteilt“. Privat habe ihm ein Mitglied des Generalstabs zu dem Antrag bereits gesagt, die Gilde werde „alles tun, um das zu verhindern“.
Im vergangenen Jahr hatten etwa 250 Mitglieder an der Generalversammlung teilgenommen; prinzipiell offen steht sie allen 3.700 Gildebrüdern. Entscheidend könnte also sein, welche Seite mehr Mitglieder für die Sitzung am Samstag mobilisieren kann. Vorsorglich hat die Gilde in ihrer Bekanntmachung dieses Jahr schon darauf hingewiesen, dass es nur mit Gildeausweis Zutritt gibt.
Inhaltlich will sich die Gildeführung bisher nicht öffentlich zum Antrag äußern. Auch Wildeshausens parteiloser Bürgermeister Jens Kuraschinski, von Amts wegen General der Schützengilde, behält für sich, wie er abstimmen wird. „Dass es eine geheime Abstimmung geben wird, ist auch eine Chance“, sagt Krieger. „So kann jeder für sich und reinen Herzens entscheiden.“
Auch eine weitere große Hürde ist offenbar aus dem Weg: Geändert werden müssen für das Kinderschützenfest nur die Dienstvorschriften, nicht die Statuten des Vereins. Für Letzteres wäre eine Dreiviertelmehrheit notwendig.
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