Gitarrenstar aus Brasilien in Düsseldorf: Mit sieben Saiten
Musik ist für ihn „Heilmittel gegen die grauenvolle Realität“. Der virtuose brasilianische Gitarrist Yamandú Costa spielte in Düsseldorf.
„Schau, ob du Yamandú zu fassen kriegst, / da geht Yamandú! / Hat nicht geklappt, / Yamandú war wieder schneller. / […] / Sieh die Hände, horch, die Phrasierung! / […] Du musst Yamandú hören, / so behände auf seiner schnellen Gitarre!“ So würdigt Gilberto Gil, Meister der Tropicália, auf seinem aktuellen Album Yamandú Costa, den Meister der brasilianischen Gitarre. Denn als großer Meister seines Fachs gilt der 39-Jährige Kennern lateinamerikanischer Gitarrenmusik bereits seit vielen Jahren.
Zahlreiche Preise hat der umtriebige Gaúcho Yamandú, der im äußersten Süden Brasiliens an den Grenzen zu Uruguay und Argentinien in einem musikbesessenen Haushalt aufgewachsen ist, erhalten; weltweite Konzertreisen hat er absolviert, eine beachtliche Anzahl von Alben veröffentlicht, solo und in häufiger Kollaboration mit anderen Musiker*innen. Denn für Yamandú Costa ist Musik – das einzige „Heilmittel gegen diese grauenvolle Realität der Welt“ – gerade auch etwas, das geteilt wird.
Yamandú lebt in einer musikalischen Weltgemeinschaft, als Musiker und Komponist, Interpret, Arrangeur, Improvisator und Musikkommunikator – alles gleichermaßen und mit einer unerhörten Leichtigkeit.
Jede Komposition eine Hommage
Jetzt gab die virtuose Naturgewalt auf dem internationalen Gitarrenfestival „Viva la Guitarra!“, das vom 8. bis 14. November zum sechsten Mal in Düsseldorf stattfindet, ein ausverkauftes und begeisterndes Konzert. Yamandú Costa spielt auf einer siebensaitigen brasilianischen Gitarre, zu deren Re-Popularisierung in Brasilien er wesentlich beigetragen hat, nachdem das Instrument zu Beginn der 1990er mit dem frühen Tod des (anderen) brasilianischen Ausnahmegitarristen, Raphael Rabello, nahezu aus der Öffentlichkeit verschwunden war.
Die siebensaitige Gitarre ist nicht bloß eine akustische Gitarre „mit einer Saite mehr“: Die zusätzliche Basssaite, meist in C gestimmt, erfüllt spezifische, bisweilen auch soziomusikalische Funktionen und hilft bei Kontrapunkt, Contracanto und Contratempo. Insbesondere in der improvisationsreichen Choromusik, die vom Gitarristen enorme Beweglichkeit verlangt, kommt die brasilianische Gitarre zum Einsatz. Jede einzelne Komposition Costas ist eine Hommage an die tonale Bandbreite und Vielseitigkeit dieses Instruments.
Als Yamandú ab dem neuen Jahrtausend begann, die Bühnen Brasiliens zu erobern, war das Publikum fasziniert. Seit Rabello, Baden Powell, Dino 7 Cordas – dies die Ahnenreihe, in der er steht – hatte es in Brasilien keinen Gitarristen mehr gegeben, der sich das Instrument so vollkommen angeeignet, ja, „einverleibt“, hatte. Seine Einflüsse reichen vom klassischen Choro-Komponisten Ernesto Nazareth über den Erneuerer der brasilianischen Karnevalsmusik, Radamés Gnattali, bis hin zu Antônio Carlos Jobim.
Sein Spiel einem bestimmten Genre zuzuordnen, ist unmöglich. Choro, Samba, die argentinische Polka Chamamé, Maxixe, die gaúcheske Milonga, Tango – Yamandú vermischt, verwandelt, dekonstruiert, erfindet und synkopiert, was ihm buchstäblich zwischen die Finger kommt, und kreiert daraus etwas, das stets frisch und wie aus dem Moment geboren klingt, selbst wenn es sich um Bekanntes wie den argentinischen Tangoklassiker „El Choclo“ handelt.
Dabei schwankt er auf der Bühne zwischen totaler Entrücktheit, halb-ironischer Pose und kindlich-hibbeliger Spielfreude, die ihn ein ums andere Mal beinahe vom Stuhl kippen lässt. Er perkussioniert, ruft, beschwört, pfeift, summt und singt. „Yamandú“ bedeutet wörtlich: der dem Wasser Bahn bricht. Was für ein wunderbarer Name für einen Musiker, aus dem die Musik in derartigem Überfluss herausströmt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos