Gipfeltreffen in Tokio: Japan und Südkorea wollen Freunde werden
Japan und Südkorea stärken ihre Beziehungen und Zusammenarbeit. Damit reagieren sie auf die unberechenbare Außenpolitik von US-Präsident Donald Trump.
Darin kündigten sie an, die Beziehungen „stabil und zukunftsorientiert“ weiterzuentwickeln, in zahlreichen Bereichen wie künstliche Intelligenz, Industrie und Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel. Zudem richten Tokio und Seoul eine Taskforce für gemeinsame Herausforderungen wie die Überalterung und die Landflucht ein.
Die Atmosphäre zwischen Lee und Ishiba war angesichts früherer heftiger Historienstreite über „Trostfrauen“ und Zwangsarbeiter bemerkenswert freundlich und heiter. „Dies ist unser zweites Treffen, und ich habe das Gefühl, dass wir enge Freunde sind“, sagte Lee über Ishiba. Japan sei „der am besten geeignete Partner“, um dringende Probleme anzugehen. Vor zwei Jahren hatte Lee als Oppositionspolitiker seinen Vorgänger Yoon Suk Yeol wegen dessen Teilnahme an einem Japan-Gipfeltreffen noch als „Marionette“ Tokios bezeichnet.
Seit seinem Amtsantritt im Juni schlägt Lee jedoch japanfreundliche Töne an. Bisher kippte ein liberaler Präsident oft die Vereinbarungen eines konservativen Vorgängers mit Japan. Doch der liberale Lee brach mit dieser Tradition. Gegenüber japanischen Zeitungen versicherte er, dass vorige Abmachungen mit Japan zu strittigen historischen Fragen „nicht rückgängig gemacht werden“. Gemeint ist etwa ein staatlicher Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter.
Japan und Südkorea wollen „pragmatische Diplomatie“ verfolgen
Nun besuchte Lee als erster Staatschef Südkoreas bei seiner ersten Auslandsreise symbolträchtig zuerst Japan, nicht die USA. „Ich bin heute mit der Überzeugung nach Japan gekommen, mich mutig von früheren Praktiken zu lösen und eine pragmatische Diplomatie zu verfolgen“, erklärte Lee nach dem Gespräch mit Ishiba, der diese Sichtweise bestätigte: „Da wir Nachbarn sind, gibt es schwierige Fragen zwischen uns. Aber wir werden einen konsequenten politischen Kurs verfolgen“, sagte Ishiba.
Beide Länder reagieren mit der Aufwertung ihrer Beziehungen auf die unberechenbare Außenpolitik von US-Präsident Donald Trump und die Allianz von China und Nordkorea mit Russland. Trump verhängte 15 Prozent Importzoll für japanische und südkoreanische Waren, verlangte hohe Investitionen in den USA und fordert höhere Verteidigungsausgaben. Seoul und Tokio sind unsicher, ob die USA ihre Sicherheitsverpflichtungen einhalten, falls es zu Auseinandersetzungen mit China oder Nordkorea kommt. Ihre eigene Kooperation solle einen „positiven Kreislauf“ für die trilaterale Zusammenarbeit mit Washington auslösen.
„Beide Länder haben Sorge, dass sich die USA als große Schutzmacht zurückziehen und kein verlässlicher Handelspartner mehr sind. Von daher macht es Sinn, sich abzusprechen, zu kooperieren und gemeinsam eine Strategie zu entwickeln, wie man den Amerikanern gegenübertritt“, sagt Frederic Spohr, Repräsentant der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul.
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