Gipfeltreffen in London: Vier Freunde für Europa
Großbritannien, Frankreich und Deutschland demonstrieren bei einem Treffen mit Selenskyj Zusammenhalt – eine Reaktion auf die US-Sicherheitsstrategie.
Bei einem kurzfristig anberaumten Treffen am Amtssitz des britischen Premierministers in London haben Deutschland, Frankreich und Großbritannien am Montagnachmittag ihre Solidarität mit der Ukraine sowohl gegenüber Russland als auch gegenüber den USA bekräftigt. „Das Schicksal der Ukraine ist das Schicksal Europas“, sagte der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz. „Dies könnte für uns alle eine entscheidende Zeit sein.“
Gastgeber Keir Starmer sagte, die Suche nach Frieden für die Ukraine sei an einem „kritischen Punkt“ angelangt. „Wir stehen hier, um dich im Konflikt und in den Verhandlungen zu unterstützen“, sagte er bei der Begrüßung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Zuvor hatte er auf die Journalistenfrage, ob er Druck auf Selenskyj zur Annahme der US-Pläne für die Ukraine ausüben werde, gesagt: „Ich werde keinen Druck auf Selenskyj ausüben, ich werde mit ihm sprechen. Wenn es einen Waffenstillstand geben sollte, und ich hoffe, es gibt ihn, muss er gerecht und dauerhaft sein.“
Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj
Der britische Premierminister hatte das Treffen erst am Samstag anberaumt. Es gehe „um die laufenden Friedensverhandlungen und die nächsten Schritte“, hatte er dazu am Sonntag gesagt. Medienberichten zufolge sollte auch über die Freigabe eingefrorener russischer Guthaben zugunsten der Ukraine gesprochen werden. Auf EU-Ebene wird dies von Belgien blockiert, Großbritannien könnte als Nicht-EU-Mitglied theoretisch eigene Schritte gehen.
Die Zusammenkunft von Starmer, Merz und Macron war die erste seit Bekanntwerden der neuen Nationalen Sicherheitsstrategie der USA. Die strebt unter anderem eine Verständigung mit Russland und einen von außen zu befördernden Kurswechsel Europas an. Der Kreml hatte das US-Strategiepapier am Sonntag begrüßt.
Am Donbass scheiden sich die Geister
Auf dem Weg zum Gipfel sagte Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj der Nachrichtenagentur Bloomberg, ihm gehe es jetzt vor allem um Sicherheitsgarantien der europäischen Partner für den Fall eines Kriegsendes. „Es gibt eine Frage, auf die ich – und alle Menschen in der Ukraine – eine Antwort will: Wenn Russland den Krieg wieder anfängt, was werden unsere Partner machen?“
Ukrainische Unterhändler hatten zuvor drei Tage lang weitere Gespräche in den USA über den mittlerweile mehrfach überarbeiteten „Friedensplan“ des US-Präsidenten Donald Trump geführt, der weitgehend russischen Forderungen entspricht. Fortschritt hänge von Russlands Friedensbereitschaft ab, erklärten die Unterhändler dazu gemeinsam am Sonntag.
US-Präsident Trump behauptete danach aber, bedauerlicherweise habe Selenskyj den neuesten Plan nicht gelesen, den Russland aber gut finde. Die russische Regierung hatte vergangene Woche nach Gesprächen mit US-Unterhändler Steve Witkoff jedoch gesagt, wichtige Punkte darin seien für Russland nicht annehmbar.
Ukrainische Offizielle sagten in London, die Frage der von den USA und Russland geforderten Gebietsabtretungen durch die Ukraine – einschließlich Räumung von ukrainisch kontrollierten Gebieten im ostukrainischen Donbass – sei nach wie vor der schwierigste Punkt. „Wir haben keine einheitliche Sicht auf den Donbass“, bestätigte Selenskyj. Von Europa erhofft er sich Unterstützung.
Macron: Ukraine hat „viele Karten“
Bundeskanzler Merz bestätigte vor Auftakt der Gespräche, manches in den US-Plänen sehe er „skeptisch“. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte, die Verbündeten der Ukraine hätten „viele Karten“. Trump sagt gerne, die Ukraine habe „keine Karten“ im Machtspiel mit Russland und müsse deswegen nachgeben. Die Tonlage der beiden, die sonst immer ihre Verbundenheit mit den USA betonen, um Trump zu schmeicheln, hat sich spürbar verändert.
Während Merz und Macron noch am Nachmittag wieder aus London abreisten, setzten Selenskyj und Starmer ihre Gespräche fort. Am Abend sollte Selenskyj nach Brüssel weiterreisen und mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident António Costa zusammenkommen.
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