Gipfeltreffen USA-China: Peking wirbt um Investitionen
Beim Apec-Gipfel wollte Staatspräsident Xi Jinping auch das Vertrauen der Geschäftswelt wiedergewinnen. Dabei hat er das Verhältnis selbst beschädigt.
Präsident Xi war keineswegs nur in den USA, um die politischen Beziehungen mit Joe Biden zu kitten. Ziel seiner Mission war stets auch, das angeschlagene Vertrauen der westlichen Investoren und Firmen wiederherzustellen. Dabei hatte er stets ein verheißungsvolles Angebot im Gepäck: die Aussicht auf einen Markt von 1,4 Milliarden potenziellen Kunden.
Und ganz offensichtlich schwappte die Euphorie auch auf die anwesenden Vorstandschefs über. 2.000 Dollar haben sie bezahlt, um während des Empfangs am Mittwoch im selben Raum mit Xi Jinping dinieren zu dürfen. Ray Dalio, Gründer des Hedgefonds-Unterehmen, sagte der Financial Times, er sei „begeistert, diese Beziehung mit Xi zu haben“.
Während seiner Reden zeichnete der Staatsgast ein überaus rosiges Bild vom Status Quo seiner Volkswirtschaft. So sagte Xi am nächsten Tag während des Gipfels der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC), dass sich Chinas Wirtschaft in diesem Jahr „stetig erholt und zum Besseren entwickelt“ habe. Die „sozialistische Marktwirtschaft“ bezeichnete er dabei als besondere Stärke, um anschließend unmissverständlich hinzuzufügen: „Wir laden Freunde aus der internationalen Geschäftswelt ein, in China zu investieren und ihren Fußabdruck in China zu vertiefen.“
Prekäre Realität
Langjährigen Beobachtern ist natürlich bewusst, dass Xis demonstrativ zur Schau gestelltes Selbstbewusstsein wohl vor allem dazu gedacht war, die höchst prekäre Realität zu überdecken. Die Volksrepublik China erholt sich ein knappes Jahr nach Ende der drakonischen „Null Covid“-Politik nur schleppend: Die Immobilienkrise hält an, die Jugendarbeitslosigkeit ist auf Rekordniveau und der Binnenkonsum kommt weiter nicht in die Gänge.
Viele der ökonomischen Probleme hängen zudem ganz direkt mit den angespannten Beziehungen gegenüber dem politischen Westen zusammen. Die Tech-Sanktionen der Biden-Regierung sind nur das offensichtlichste Beispiel. Hinzukommt, dass die Investoren ihre Gelder zurückhalten und die Unternehmen Profite zunehmend aus dem chinesischen Markt abziehen. Kurzum: Die Lage ist ernst, es besteht dringender Handlungsbedarf.
Doch natürlich hat Xi Recht, wenn er in San Francisco sein Heimatland als größten Motor des globalen Wachstums verkauft. Denn der riesige Markt hat für internationale Firmen nach wie vor eine riesige Anziehungskraft – und das, obwohl er weit hinter seinem wahren Potenzial bleibt.
Viele Ökonomen gehen mittlerweile davon aus, dass sich Chinas Wachstum in den nächsten Jahren bei zwischen zwei und drei Prozent einpendeln dürfte. Für ein Land, das noch vor gar nicht allzu langer Zeit im zweistelligen Bereich expandierte, ist dies ernüchternd.
Politische Kontrolle statt mehr Wirtschaftswachstum
Einen Teil der Verantwortung dafür trägt Xi Jinping höchstselbst. „Noch nie habe ich erlebt, dass ideologische Entscheidungen wichtiger geworden sind als wirtschaftliche Entscheidungen“, sagte der China-Veteran Jörg Wuttke bereits im Vorjahr. Seit über drei Dekaden lebt der Manager bereits in Peking. Doch gegen Ende seiner Amtszeit als Präsident der europäischen Handelskammer zog er ein ernüchterndes Fazit: Xi Jinping sei zunehmend bereit, politische Kontrolle mit niedrigerem Wachstum zu bezahlen.
Wenn Xi etwa nun in San Francisco vor der Entkoppelung von Lieferketten warnt, kann dies einer gewissen Ironie nicht entbehren, schließlich haben die Lockdowns seiner dogmatischen „Null Covid“-Politik erst das Thema in Europa überhaupt angestoßen. Und auch der Wunsch, die Volkswirtschaften stärker zu „vernetzen“, wirken scheinheilig von einem Staatsoberhaupt, der bereits seit 2015 eine zunehmend von Autarkie geleitete Industriepolitik führt.
Während nämlich die CEOs in San Francisco Xi mit stehenden Ovationen begrüßen, verlieren die heimischen Ökonomen allmählich die Geduld. Der Unmut innerhalb der Privatwirtschaft ist derart groß geworden, dass sich nun erstmals seit langem wieder offene Kritik zeigt.
Rechtsstaatlichkeit und Reformen wären nötig
Im Wirtschaftsmagazin Caixin, einem der letzten unbeugsamen Stimmen in der ansonsten gleichgeschalteten Medienlandschaft, erschien zu Beginn des Monats ein bemerkenswerter Leitartikel mit einer unmissverständlichen Überschrift: „Chinas Reformbewegung braucht dringendst einen weiteren Durchbruch“. Darin heißt es unter anderem: „Dem Markt eine entscheidende Rolle bei der Zuteilung von Ressourcen zuzugestehen, ist nicht nur eine bedeutende theoretische Neuerung, sondern auch eine Befreiung des Denkens“. Mittlerweile jedoch würden einige Regierungsbeamte wieder gegen den Reformgeist handeln.
Dieser Ansicht ist offensichtlich auch Investoren-Veteran Fred Hu, Gründer der „Primavera Capital Group“. Während eines Wirtschaftsforums in Singapur sagte er: „Die Menschen sind sich nicht sicher, ob die Führung sich noch den Reformen verpflichtet, von denen China so sehr profitiert hat“. Dieses Gefühl der Unsicherheit habe er seit Beginn der wirtschaftlichen Liberalisierung Ende der 1970er Jahre niemals erlebt.
Wenige Tage später, diesmal bei einem Forum in Peking, legte Hu noch in seiner Kritik noch einmal nach. China brauche keinen weiteren 30-Punkte-Plan, um das Vertrauen der Wirtschaft zu heben, sondern nur einen einzigen Punkt: Rechtsstaatlichkeit.
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