Gewinner des Alternativen Nobelpreises: Getrübte Freude
Der Palästinenser Issa Amro wird mit seiner Organisation „Jugend gegen Siedlungen“ für sein Engagement gegen die israelische Besatzung ausgezeichnet.
![Issa Amro, kurze Haare, Brille, blaues Hemd Issa Amro, kurze Haare, Brille, blaues Hemd](https://taz.de/picture/7277823/14/36694042-1.jpeg)
Er habe gemischte Gefühle über die Auszeichnung, sagt der 44-Jährige. Sich freuen oder nicht, angesichts der aktuellen Eskalation in Nahost? „Es bricht mir das Herz, was in Gaza passiert, im Westjordanland und jetzt im Libanon.“ Es ist Rosch ha-Schana, das jüdische Neujahrsfest, und für ihn, einen Palästinenser im von Israel kontrollierten Teil Hebrons, heißt das tagelange Ausgangssperre, noch bis Samstagabend dürfe er sein Haus nicht verlassen. „Damit die illegalen Siedler in meine Stadt kommen können, haben sie Checkpoints, Straßen und Schulen geschlossen, also die ganze Community“, sagt Amro.
Die Situation in Hebron sei schon vor dem 7. Oktober schwierig gewesen, seitdem aber noch viel schwieriger. Der Tag des Hamas-Terrorangriffs auf Israel mit rund 1.200 Toten und 250 Verschleppten jährt sich am Montag zum ersten Mal. Das israelische Militär und die Siedler hätten sich seither frei gefühlt zu tun, was sie wollen, und ihre Strategie fortgesetzt, Palästinenser aus ihren Häusern und ihren Communitys zu verdrängen. Amro wirft israelischen Soldaten vor, sich willkürlich zu verhalten wie eine Miliz, nicht wie Armeeangehörige.
„Es ist kein Leben“, sagt Amro. „Wir haben Probleme mit einfachen Services wie Handwerkern, Notarztwagen kommen nicht zu uns, wir kämpfen um ein bisschen Sozialleben.“ Er rechne jedes Mal, wenn er das Haus verlasse, damit, dass er nicht mehr zurückkommen könne. „Ich gebe mein Bestes, trotz allem.“
Zivilgesellschaft im Fokus
Sein grundsätzlich gewaltloser Widerstand besteht nicht nur aus Protestaktionen. YAS erschafft auch Neues – einen Kindergarten etwa und ein Zentrum für Frauen. Jetzt planen sie ein Kinoprojekt. Die Stärkung der palästinensischen Zivilgesellschaft steht immer im Fokus. Andere Formen der Unterstützung seien das Dokumentieren von Menschenrechtsverletzungen und derzeit vor allem Besuche bei Familien, die aus ihren Häusern verdrängt werden sollen. Was Amro fordert, ist internationaler Druck auf Israel, auch von Deutschland. Teil seines Aktivismus sei deshalb Öffentlichkeitsarbeit, „um die Wahrheit über die israelische Besatzung und Apartheid zu erzählen“.
Was wünscht er sich für die Zukunft? „Mein Traum ist, dass die ganze Welt und Israel die Palästinenser als eine Nation behandeln, die Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit und Selbstbestimmtheit verdient.“ Er wolle eine bessere Zukunft, für Palästinenser und für Israelis, in einer Einstaaten- oder Zweistaatenlösung. Sie sollen gleichberechtigt zusammenleben.
Neben Amro und seiner Organisation YAS wurde auch die philippinische Aktivistin Joan Carling ausgezeichnet, die sich für die Rechte Indigener einsetzt. Weitere Preisträger waren die Umweltaktivistin Anabela Lemos, die in Mosambik gegen ausbeuterische Megaprojekte ankämpft, sowie die Londoner Gruppe Forensic Architecture, die Menschenrechts- und Umweltrechtsverletzungen mit digitalen forensischen Methoden aufdeckt.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
Jens Bisky über historische Vergleiche
Wie Weimar ist die Gegenwart?
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören
Erpressungs-Diplomatie
Wenn der Golf von Mexiko von der Landkarte verschwindet