Gewerkschafter über VHS-Lehrkräfte: „Sie gehen sogar krank zur Arbeit“
In Hamburg demonstrieren am Montag Volkshochschul-Lehrkräfte für ihre soziale Absicherung. Andere Städte tun da mehr, sagt Gewerkschafter Detlef Zunker.
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taz: Herr Zunker, warum gehen Hamburgs Volkshochschullehrkräfte heute auf die Straße?
Detlef Zunker: Weil die arbeitnehmerähnlichen Honorarkräfte unter ihnen endlich eine soziale Absicherung brauchen. Hamburg hatte sich vorgenommen, die „Stadt der guten Arbeit“ zu sein. Dann muss sie das Prinzip in den Bereichen, die sie beeinflussen kann, auch gewährleisten.
Was heißt „arbeitnehmerähnlich“?
Das sind Honorarkräfte, die mehr als die Hälfte ihres Einkommens von der Volkshochschule beziehen. Für sie zahlt Hamburg zwar inzwischen ein Urlaubsentgelt. Aber nicht die Kosten der sozialen Absicherung. Das machen Städte wie Berlin, Bremen, Frankfurt am Main und Kiel anders. Die beteiligen sich zur Hälfte an der sozialen Absicherung. Das wollen die Hamburger Kursleitenden auch. Hamburg hat hohe Steuereinnahmen und ist eins von fünf Ländern, die in den Länderfinanzausgleich zahlen. Dafür muss Geld übrig sein.
Wie hoch ist denn das Honorar?
Jene, die Kurse für das Bundesamt für Flüchtlinge und Migration geben, bekommen 42,23 Euro die Stunde, die anderen, die die freien Kurse geben, 35 Euro. Davon müssen sie Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung zu 100 Prozent tragen.
Und wie hoch sind die Abzüge davon?
Fast 40 Prozent vom Honorar. Würde sich Hamburg an diesen Kosten beteiligen, wären das zehn Euro mehr pro Honorarstunde. Auch noch wichtig ist ein Ausfallhonorar bei Krankheit. Wir hatten hier eine Kollegin, alleinerziehend, die brach zusammen und musste ins Krankenhaus. Die Ärzte sagten, sie soll mehrere Tage zur Beobachtung bleiben. Aber sie sagte: „Ich kann mir das nicht leisten. Ich geh Montag wieder arbeiten.“ Schlimm ist so was. In Berlin würde Ausfallhonorar gezahlt.
Welche Kurse geben arbeitnehmerähnliche Kräfte?
„Schluss mit prekär! 2024 endlich gerechte und faire Arbeitsbedingungen in der Erwachsenenbildung“ in Hamburg: 29. Januar, 15.30 Uhr, Burchardstraße 19, Hamburg
Es sind überwiegend Integrations- und Sprachkurse. Das Absurde ist: Die Lehrkräfte bringen ihren Teilnehmern in den Kursen bei, was soziale Absicherung ist, und haben selber keine.
Wohin geht die Demo?
Wir gehen erst zum Fraktionsbüro der Grünen in der Altstadt und danach zur SPD am Jungfernstieg. Das Geld müsste aus dem Budget der Schulbehörde kommen. Wir waren auch schon zum Gespräch bei der neuen Senatorin Ksenija Bekeris und haben das Thema dort schon mal angesprochen.
Warum demonstrieren Sie gerade jetzt?
Wir wollen, dass das 2025 im Haushalt berücksichtigt wird. Außerdem gehen mit uns die Beschäftigten der privaten Träger auf die Straße, die sehr schlechte Bedingungen haben. Die Ampel hatte im Koalitionsvertrag ein Tariftreuegesetz vereinbart, das diesen Beschäftigten helfen würde. Nur kann die Ampel sich jetzt nicht einigen. Wir fordern, dass der Hamburger Senat das Thema über eine Bundesratsinitiative wieder ins Gespräch bringt.
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