Gewerkschaften mögen keine Computer-Gastarbeiter: Miefig und unsympathisch
Jahrhundertelang wollte die katholische Kirche nicht akzeptieren, dass die Erde eine Kugel ist und durchs Weltall fliegt. Hoffentlich brauchen die deutschen Gewerkschaften nicht ähnlich lange, bis sie erkennen: Einwanderung und Migration gab es immer und wird es immer geben. Seit Bundeskanzler Schröder vorgeschlagen hat, ausländische Software- und Internetspezialisten ins Land zu holen, mauern die Arbeitnehmerorganisationen. Mit ihrem Abwehrkampf stellen sich viele Gewerkschaftschefs gegen das Unvermeidliche. Damit melden sie sich aus einem wichtigen gesellschaftlichen Diskurs ab.
Den Äußerungen aus der neuen Dienstleistungsgewerkschaft ver.di haftet etwas äußerst Miefiges und Unsympathisches an. Gewerkschafter plädieren für geschlossene Grenzen, während erstmals seit langer Zeit das politische und wirtschaftliche Establishment bereit ist, über ein Einwanderungsgesetz nachzudenken. Dabei könnte es jetzt endlich die Möglichkeit geben, die nationalistische und zutiefst unmenschliche Ausländerpolitik Deutschlands gerechter zu gestalten. Ein Einwanderungsgesetz, das die Arbeitnehmer-Lobbyisten mit ihrer Blockade verhindern wollen, würde einer begrenzten Zahl von ImmigrantInnen eine gesicherte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis verschaffen und das miese Leben in den Asylbewerberheimen ersparen.
Möglicherweise sind die Gewerkschaften auch mit ihren durchaus ehrenwerten Argumenten auf dem Holzweg. Wenn es stimmt, dass in der Internetbranche ein Mangel an Arbeitskräften herrscht, wird die Einwanderung von 30.000 oder 50.000 Software-Spezialisten aus Kiew oder Petersburg nicht zu der befürchteten „Lohndrückerei“ führen. Zwar sind die 25-jährigen Programmierer am Anfang wahrscheinlich mit 60.000 Mark Jahresgehalt zufrieden, während ihre deutschen Kollegen 100.000 bekommen. Aber die Computer-Russen werden schnell merken, wie wertvoll sie sind – und entsprechend viel verlangen. Eine Gefahr für das deutsche Lohnniveau besteht deshalb eher nicht.
Es hat für die Gewerkschaften keinen Sinn, sich gegen die Einwanderung zu stellen. Im Aufschwung holt sich die Wirtschaft die Arbeitskräfte, die sie braucht – wie in den 60er-Jahren. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, die Kriterien für die Einwanderung zu bestimmen: unbefristete Arbeitserlaubnis, Untergrenzen für den Lohn. Dann bräuchten sich die Gewerkschaftschefs auch vor ihren Mitgliedern nicht zu schämen. Hannes Koch
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