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Gewerkschaften gegen die FDPDGB attackiert Regierung

DGB-Chef Michael Sommer wirft der FDP "reine Klientelpolitik" und "Ellenbogenpolitik" vor. Gesellschaftspolitisch will sich der DGB 2010 vor allem in der Gesundheitspolitik engagieren.

Michael Sommer bei der Pressekonferenz am 7. Januar zum "Jahresausblick 2010". Bild: dpa

Mit scharfer Kritik an der Regierungspolitik hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) das neue Jahr eingeläutet. Auf einer Pressekonferenz am Donnerstag in Berlin nahm der DGB-Vorsitzende Michael Sommer dabei vor allem die Liberalen ins Visier. "Ich bin erschüttert, dass die FDP vier Monate nach der Wahl zur reinen Klientelpolitik zurückgekehrt ist", sagte Sommer.

Dem FDP-Vorsitzenden und Vizekanzler Guido Westerwelle empfahl Sommer, der "pragmatischen Linie" der Kanzlerin zu folgen und im "neuen Jahrzehnt anzukommen". Westerwelles reklamierte "geistig-politische Wende" stehe für reine "Ellebogenpolitik". Angela Merkel (CDU) müsse sich angesichts ihres Koalitionspartners manchmal an den Spruch "Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang" erinnert fühlen, ging der DGB-Chef vergleichsweise milde mit der Kanzlerin ins Gericht.

Für den DGB stehe das Jahr 2010 noch ganz im Zeichen der Wirtschaftskrise: "Die Krise ist noch nicht vorbei", betonte Sommer. Das würden Bund, Länder und Kommunen in ihren Haushalten in den nächsten Monaten drastisch zu spüren bekommen.

Die Sicherung des Industriestandortes Deutschland durch Investitionen und Innovationen, Beschäftigungssicherung sowie die Stärkung der Massenkaufkraft müssten "oberstes Ziel sein", unterstrich Sommer und erneuerte die Forderung nach einem dritten Konjunkturpaket.

Kritik übte er erneut an den Steuersenkungsplänen der Regierung und führte aus: "Ich warne davor, Steuergeschenke an die FDP-Wähler durch die Erhöhung der Sozialabgaben der Arbeitnehmer zu finanzieren." Er bezog sich damit auf Berichte vom Dezember, nach denen die Regierung eine Erhöhung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung von 2,8 auf 4,5 Prozent erwäge.

Gesellschaftspolitisch will sich der DGB 2010 vor allem in der Gesundheitspolitik engagieren. Man werde "auf breiter Front gegen die Gesundheitspläne der schwarz-gelben Koalition mobil machen", kündigte Sommer an. Das konkrete Vorgehen ließ er noch offen. Gespräche habe man aber bereits mit allen Sozialverbänden, den Krankenkassen und Nichtregierungsorganisationen geführt.

Intern stehen für den DGB 2010 Veränderungen an. So soll auf dem 19. ordentlichen Bundeskongress im Mai die lang diskutierte Reform des Gewerkschaftsbundes eingeleitet werden, der aus acht Einzelgewerkschaften besteht. Ein entsprechender Satzungsentwurf liegt seit November 2009 auf dem Tisch. Er werde "von allen Gewerkschaftsvorsitzenden getragen", sagte Sommer.

Die Pläne sehen unter anderem vor, den Bundesvorstand von fünf auf vier Mitglieder zu verkleinern und den Mittelzufluss der Einzelgewerkschaften an den DGB um 3,6 Millionen Euro pro Jahr zu verringern. Trotzdem will der DGB künftig flächendeckend in allen Landkreisen und kreisfreien Städten vertreten sein. "Die Funktion des DGB wird akzentuiert und gestärkt", beschrieb Sommer die Reformziele.

Sowohl über die Neustrukturierung des DGB als auch über Sommers Wiederwahl müssen auf dem Bundeskongress die Delegierten befinden. Sie werden dann auch über eine Erhöhung der DGB-Mindestlohnforderung von 7,50 Euro abstimmen. Die derzeitige Summe sei vier Jahre alt und nicht mehr "adäquat", sagte Sommer. Möglich sei ein Betrag um 9 Euro.

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11 Kommentare

 / 
  • K
    Kommentator

    @martin

     

    "Danke für den Hinweis. Ich habe mich mal über die FAU erkundigt. Die Forderungen sind berechtigt, jedoch wohl schwer durchsetzbar."

     

    Gern geschehen!

    Definitiv! Sie brechen schließlich mit dem zentralen Dogma der etablierten Gewerkschaften - der Annahme, Ausbeutung könne gerecht ablaufen.

     

    Deswegen kümmern sie sich auch - wie Du zurecht schreibst - eigentlich immer nur um die Lohnfragen (als Hauptanliegen meine ich).

    Extremer Stress, Überstunden en masse, Arbeitslosigkeit, Mobbing - oft versagt gerade hier die Arbeit.

    Und auch die Lohnforderungen waren total erfolglos auf die letzten Jahrzehnte zurückgeblickt.

     

    "Vor allem bei so wenig Mitgliedern."

     

    Komisch gell, da gibt es so viele Leute mit linkem Anspruch (wenige hier) und dann hat die

    greifbarste aller echten Utopien - der Syndikalismus - so wenig Rückendeckung für diese.

    Irgendwie unglaubwürdig.

     

    "Anscheinend ist wohl nicht nur der DGB gegen die FAU, sondern auch die Politik. Ich beziehe mich da auf die Vorfälle im Arbeitskampf im Berliner Kino Babylon. Was ich jedoch sehr gut an der FAU finde ist, dass sie ebenfalls auch arbeitslose Menschen vertritt."

     

    Naja, bei der Politik verständlich, da die FAU sich ja auch gegen Herrschaft an sich ausspricht.

    Mutig!

    Aber warum sie der DGB verteufelt und austrickst (Babylon!), das kann man nicht mit gesundem Menschenverstand erklären.

     

    Kritik ja, Ablehnung von Methoden oder Ansprüchen ja, aber die komplette Feindlichkeit des DGB gegenüber einer echten Alternative - wo kommt die her?

     

    "Die DGB Gewerkschaften könnten sich dort einiges abgucken..."

     

    Definitv! Sie könnten radikalere Protestformen, Forderungen, Einbindung von Erwerbslosen (gute Idee!), Obdachlosen, Stadtteilen u.v.m. erreichen.

     

    Aber manchmal hat man das Gefühl die wollen das gar nicht (eigene Erfahrungen mit Funktionären).

    Soll aber auch sehr engagierte DGBler geben...

  • M
    martin

    @Kommentator:

     

    Danke für den Hinweis. Ich habe mich mal über die FAU erkundigt. Die Forderungen sind berechtigt, jedoch wohl schwer durchsetzbar. Vor allem bei so wenig Mitgliedern. Anscheinend ist wohl nicht nur der DGB gegen die FAU, sondern auch die Politik. Ich beziehe mich da auf die Vorfälle im Arbeitskampf im Berliner Kino Babylon. Was ich jedoch sehr gut an der FAU finde ist, dass sie ebenfalls auch arbeitslose Menschen vertritt.

    Die DGB Gewerkschaften könnten sich dort einiges abgucken...

  • I
    iBot

    "Es gibt 8,1 Millionen Hartz-IV-Bezieher und es gibt in diesem Jahr Tausende Jugendliche ohne Lehrstelle, ohne Studienplatz und damit auch vielfach ohne Perspektive - wenigstens das sollte der DGB mal schaffen."

     

    Der DGB ist aber nun mal ein Arbeitnehmer- und kein Arbeitslosen-Interessenvertreter.

  • K
    Kommentator

    @ martin:

    Ihnen empfehle ich eindeutig die FAU.

     

    Die teilt Ihre Ziele und setzt nicht wie der DGB auf den "sozialen Frieden" der "Sozialpartnerschaft", die den Normalzustand kapitalistischen Wirtschaftens (z.B. angesprochene Mehrwertabschöpfung seitens der Kapitalisten) vollends teilt.

     

    Die wollen "kein Stück vom Kuchen", sondern die "Bäckerei" - und zwar ohne Chef(s).

     

    Der DGB sieht die FAU aber als feindlich an, weil sie eben radikal und v.a. (!) zu kämpfen bereit ist.

     

    Bin zwar kein Anarchist.

    Enttäuschte DGBler sollten dennoch Druck durch FAU-Mitgliedschaften machen statt zu resignieren (und Resignierte gibt es viele).

  • H
    Hues

    Sorry - aber es gibt weitaus wichtigere Forderungen für Arbeitnehmer. Warum will der DGB auch dieses Jahr nicht aktiv werden? Warum glauben die Leute dort nur noch an ihre eigenen, immer unsinnigeren Parolen? Es gibt 8,1 Millionen Hartz-IV-Bezieher und es gibt in diesem Jahr Tausende Jugendliche ohne Lehrstelle, ohne Studienplatz und damit auch vielfach ohne Perspektive - wenigstens das sollte der DGB mal schaffen.

    Aber das ist wohl noch zu optimistisch für diesen Verein - was die mit dem Geld und der Unterstützung mehrerer Millionen Mitglieder machen, scheint mir erklärungsbedürftig.

  • M
    martin

    Ich frage mich, warum die lohnabhängigen Menschen und vorallem ihre so genannte Vertretung, die Einheitsgewerkschaften des DGBs, immer nur rummeckern, anstatt das Prinzip der Lohnarbeit an sich in Frage zu stellen. Wenn ich mit meinen Kollegen alleine den Betrieb schmeissen und alle gleichberechtigt sind, dann verdienen wir auch mehr Geld. Warum verdient ein Chef (vor allem in Großunternehmen) das 200 oder 500fache von dem eines oder einer normalen ArbeiterIn? Der DGB hat keine Eier und einen Chef brauchen wir auch nicht. Das Prinzip von Vergesellschaftung und Selbstbestimmung ist in der deutschen Verfassung nicht ausgeschlossen!

  • K
    Kommentator

    Im übrigen:

    Wer hat sich nochmal für die Agenda 2010 der "Genossen" hergegeben?

     

    Genau, weite Teile des DGB. Oder etwa doch nur die Spitze?

     

    http://de.wikipedia.org/wiki/Hartz_IV#Auswirkungen

     

    Liebe Gewerkschafter, nehmt euch ruhig ein Beispiel an der SPD.

    Wenig Forderungen --> Wenig Mitglieder --> Wenig Erfolg.

    O.K., Erfolg ist subjektiv.

    Ihr habt echt Nachholbedarf.

  • N
    Nordwind

    @Rudolf Stüben

     

    Sicher kann man einiges an Michael Sommer kritisieren aber die Basis Ihrer Argumentation ist schlicht falsch. Sommer ist seit 1981 Mitglied der SPD.

  • V
    viernullvier

    Woher kommt die Information über die vermeintliche CDU-Mitgliedschaft? Offizielle Quellen sagen nur, dass Sommer seit 1981 SPD-Mitglied ist.

     

    Wenn er tatsächlich ein treuer CDU-Parteisoldat wäre, würde er sich sicher nicht für Mindestlöhne und ähnliches einsetzen. Im übrigen sind dringliche Appelle an eine politisch nicht in Erscheinung tretende Kanzlerin sowieso vergebene Liebesmüh', da macht es nun keinen Unterschied wie heftig er sie attackiert.

  • M
    M.Baur

    Michael Sommer ist seit 1981 Mitglied der SPD. Er war noch nie Mitglied der CDU. Warum immer diese unsachlichen Kommentare??

  • RS
    Rudolf Stüben

    Warum Herr Sommer " milde " mit der CDU-Kanzlerin umgeht ? Er hat das CDU-Parteibuch in der Tasche !

    Als trojanisches Pferd zu Zeiten von Rot -Grün im DGB eingeschelust , entfaltet er jetzt sein Appeasement-Politik gegenüber dem schwarzen Teil der Regierung.

    Westerwelle`s Politik und " Programm " waren ihm und den Gewerkschafts-Genossen schon lange bekannt.

    Deshalb wirkt das Gezeter jetzt mehr als aufgesetzt und pflichtschuldigst "seiner " Kanzlerin " gegenüber.

    Der DGB sollte schleunigst aus dieser unseligen Personalie Konsequenzen ziehen , sonst geht`sihm wie der SPD : Lähmung und unfähig zu harten Auseinandersetzungen.

    Denn diese werden schon heuer kommen, und noch härter geführt werden müssen !Aber nicht mit dem CDU- Sommer.