Gewalt vor der Wahl in der Elfenbeinküste: "Putschisten" und "Fescisten"
Jeden Tag kommt es in der Elfenbeinküste zu Gewalt zwischen Anhängern des Staatschefs Gbagbo und seines Herausforderers. Droht der Rückfall in den Bürgerkrieg?
BERLIN taz | Es konnte ja nicht ewig gutgehen. Wenige Tage vor der entscheidenden Stichwahl um die Präsidentschaft der Elfenbeinküste wird der Wahlkampf immer aggressiver. Während die erste Runde dieser ersten freien Wahl in der Geschichte des Landes am 31. Oktober noch außergewöhnlich ruhig verlaufen war, herrscht jetzt ein Klima der Polarisierung zwischen den Anhängern des Staatschefs Laurent Gbagbo und denen des Oppositionsführers Alassane Ouattara, die am kommenden Sonntag gegeneinander antreten. Manche lokale Medien prophezeien bereits einen Rückfall in den Bürgerkrieg, der die Elfenbeinküste in den vergangenen acht Jahren zerrissen hatte.
Bei der ersten Runde am 31. Oktober war Gbagbo landesweit auf 38 Prozent gekommen und hielt im Südteil des Landes die Mehrheit; Ouattara räumte im Norden ab und kam landesweit auf 32 Prozent. Der Wahlkampf für die Stichwahl begann offiziell am Samstag.
Seitdem kommt es fast täglich zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, vor allem in den Slums von Abidjan, wo sowohl Gbagbo als auch Ouattara viele militante Anhänger haben. Es ist, als würde sich jetzt die Spannung gewaltsam entladen, die in der ivorischen Politik ohnehin herrscht und vor der die Politiker im Oktober noch solche Angst hatten, dass sie ihre Gefühle unterdrückten.
Am Montag gab es Straßenkämpfe zwischen Jugendlichen in Adjamé, wo Ouattara im ersten Wahlgang 57 Prozent erzielt hatte; mehrere Menschen wurden verletzt, bevor die Polizei mit Tränengas anrückte. In Adjamé hatte zuvor Gbagbo auf einer Kundgebung erklärt, die Stichwahl sei "eine Wahl zwischen Tag und Nacht, zwischen Gut und Böse, zwischen Demokraten und Putschisten".
Ouattara hatte am Samstag auf seiner Eröffnungskundgebung in einem Sportstadion von Abidjan Gbagbo verdammt: "Du hast die Ivorer gespalten, der Elfenbeinküste den Krieg gebracht und die Ressourcen geplündert." Am Freitag bereits waren im Stadtteil Cocody Militante der Gbagbo-nahen Studentengewerkschaft Fesci (Studentenbund der Elfenbeinküste) und junge Ouattara-Anhänger aufeinander losgegangen.
Die Kontrahenten beschimpfen sich gegenseitig als "Putschisten" und "Fescisten", letzteres mit eindeutiger Anlehnung an die Neigung radikaler Gbagbo-Anhänger, ihre politischen Gegner zu vertreibungswürdigen Ausländern zu erklären. Für Ouattara ist Gbagbo ein Spalter der ivorischen Nation und Urheber ihres Niedergangs. Für Gbagbo ist Ouattara der geistige Schirmherr der nordivorischen Rebellen, die 2002 die Kontrolle über den Nordteil der Elfenbeinküste erlangten. Er wolle jetzt auf illegitime Weise an der Wahlurne den Sieg erreichen, der ihm auf dem Schlachtfeld verwehrt blieb.
Auf besondere Kritik stößt im Gbagbo-Lager Ouattaras Wahlbündnis mit dem beim ersten Wahlgang drittplatzierten Kandidaten Henri Konan Bédié, Präsident der Elfenbeinküste von 1993 bis 1999. Bédié gewann in der ersten Runde 25 Prozent und spaltete die Stimmen des Südens; so dürfte dieses Wahlbündnis Ouattara zum Sieg verhelfen.
Eigentlich müsste Präsident Gbagbo nun versuchen, Bédiés Wähler auf seine Seite zu ziehen, um die Stichwahl doch noch zu gewinnen. Doch im Südwesten des Landes, wo die Kakaoplantagen der Elfenbeinküste liegen, ist es bereits zu Gewalt zwischen Gbagbos Bété-Volk und Bédiés Baoulé-Volk gekommen, in einer parteipolitischen Wendung der alten ökonomischen Rivalität zwischen Baoulé-Plantagenbesitzern und Bété-Kleinbauern.
Nun mehren sich Appelle zur Wahrung des Friedens. Armeechef General Philippe Mangou warnt, man werde "unbarmherzig" gegen alle "Störer" vorgehen und "nicht hinnehmen, dass gewisse Individuen unser Land zurück in den Horror stürzen". Das abschreckende Beispiel ist das Nachbarland Guinea, wo der vor einer Woche verkündete knappe Wahlsieg von Gbagbos Freund Alpha Condé in der Stichwahl zu massiver ethnischer Gewalt und Übergriffen der Sicherheitskräfte gegen Anhänger des Wahlverlierers führte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!