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Gewalt in HaitiZerstückelt und verbrannt

Dienstagnacht fuhren zwei Lkw mit Gangmitgliedern in einen Ort vor Haitis Hauptstadt ein. Dort wurden sie von Polizei und Einwohnern brutal hingerichtet.

Eine Anwohnerin filmt die verkohlten Leichen der getöteten Eindringlinge mitten auf der Straße im Vorort Petionville Foto: Odelyn Joseph/ap/dpa

Frankfurt am Main taz | Es ist nicht das erste Mal, dass Gangmitglieder in den wohlhabenden Vorort Petionvill der haitianischen Hauptstadt Port-au-Prince vordringen. Normalerweise blicken seine Bewohner von oben und in relativer Sicherheit auf das Elend Haitis. Die Ereignisse von Dienstagnacht allerdings zeigen, dass auch diese Idylle schnell ihr Ende finden könnte. In der Nacht vom 19. November wurden mindestens 28 Gangmitglieder von der haitianischen Polizei, lokalen Sicherheitskräften und Bewohnern bei dem Versuch erschossen, in den Vorort einzudringen.

Die ganze Nacht, so berichten Einwohner des Viertels am Telefon, habe man Schüsse gehört. Niemand verlasse das Haus. Die Gangs, so berichtet der haitianische Le Nouvellist, seien mit zwei Trucks gekommen, in denen sich Kalaschnikows, viele Schüsse Munition und auch eine Drohne befanden.

Die Ermordung der bewaffneten Eindringlinge ging laut Augenzeugenberichten extrem brutal vonstatten. Zwei Kindersoldaten, ein elfjähriger und ein unbewaffneter achtjähriger Junge aus dem Elendsviertel Cité Soleil, berichteten noch, von wem sie geschickt wurden, bevor sie von Bewohnern ermordet worden sein sollen. Die Leichen, so schildern es Augenzeugen der AyiboPost, seien zur Abschreckung zum Teil zerstückelt oder verbrannt worden.

700.000 Menschen seit Monaten auf der Flucht

Der Menschenrechtler Pierre Ésperance spricht sogar von 45 Gangmitgliedern, die unter anderem im Viertel Canapé-Vert von der Polizei und der mit Macheten bewaffneten Bevölkerung umgebracht wurden. Gefasste Gangmitglieder würden von den Justizbehörden freigelassen werden, so Ésperance. Das spiele eine große Rolle in der „Gangsterisierung des Landes“.

Vor dem Angriff auf Petionville waren Gangs bereits systematisch in benachbarte Stadtteile, darunter auch besagtes Canapé-Vert vorgedrungen und hatten die Kontrolle übernommen. Die Internationale Migrationsorganisation (IOM) spricht von 20.000 Vertriebenen allein am vergangenen Wochenende. Sie kommen zu den 700.000 Menschen hinzu, die sich seit Monaten auf der Flucht befinden.

Mit dem Angriff wollte Bandenchef Chérizier den Übergangsrat zum Rücktritt zwingen

Der im Frühsommer dieses Jahres wiedereröffnete Flughafen ist nach Angriffen der Gangs auf zivile Flugzeuge wieder geschlossen. Damit ist auch für die Wohlhabenderen der Weg, das Land zu verlassen, vorerst dicht.

Drogenschmuggel und Bandengewalt

Verantwortlich für die jüngste Eskalation ist, zumindest laut eigener Erklärung, „Viv Ansanm“ (Zusammenleben), ein Zusammenschluss aus Gangs und Milizen unter Führung von Jimmy Chérizier, einem ehemaligen Offizier der haitianischen Polizei. Viv Ansanm lebt von Drogenschmuggel und bewaffneten Überfällen.

Chérizier erscheint als die wichtigste Figur unter den bewaffneten Kämpfern, weil er sich immer wieder mit politischen Äußerungen zur Stelle meldet, sie mit bewaffneten Taten untermauert und dabei häufig das Momentum trifft. Auf ihn und seine Gruppierung geht der Sturz des letzten Premierministers Ariel Henry zurück, und auch jetzt begründete er den Angriff auf Petionville mit einer politischen Forderung: Er verlangte am Montag die Absetzung des Präsidialen Übergangsrates.

Politiker ohne Vertrauen der Bevölkerung

Der Rat wurde im Frühjahr dieses Jahres mit großem Druck aus den USA und den benachbarten Karibikstaaten aus dem vorhandenen politischen Personal zusammengebastelt, das vorwiegend seine eigenen Geschäftsinteressen vertritt. In einer nun lächerlich anmutenden Geste der Selbstermächtigung hatte der Rat vorige Woche beschlossen, den weltgewandten und jahrelang bei der UNO beschäftigten Premierminister Garry Conille ab - und durch den Geschäftsmann Alix Didier Fils Aimé zu ersetzen.Gegen drei Mitglieder des Rats gibt es zudem handfeste Vorwürfe wegen Korruption.

Die ganze von außen übergestülpte politische Konstruktion erweist sich als unfähig, ein Minimum an Vertrauen in der haitianischen Gesellschaft zu erwecken.

Auch die internationale Polizeimission mit bislang 400 kenianischen Polizisten kann, wie die jüngsten Ereignisse zeigen, keine Erfolge vorweisen. Sie soll nach dem Wunsch der USA in eine UN-Friedensmission umgewandelt werden, um die Finanzierung zu sichern. China und Russland blockieren aber bislang. Ihre Argumentation, dass die Lage in Haiti so volatil sei, dass man Zweifel am Erfolg einer solchen Mission anmelden müsse, ist nicht von der Hand zu weisen.

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