Gewalt in El Salvador: Gegen Banden und Recht

El Salvadors Präsident reagiert auf eine Gewaltwelle mit Ausnahmezustand, Massenfestnahmen und öffentlicher Demütigung von Gefangenen.

Auf dem nackten Rücken eines Mannes mit gefesselten Händen sind die Buchstaben M und S eintätowiert

El Salvadors Präsident lässt gefangene Bandenmitglieder demütigen Foto: reuters

BERLIN taz | Im zentralamerikanischen El Salvador eskaliert der Konflikt zwischen den bewaffneten Pandillas und dem Staat. Am Freitag und Samstag waren an verschiedenen Orten des Landes, in denen die größte und bekannteste Organisation Mara Salvatrucha (MS-13) tonangebend ist, insgesamt über 70 Menschen ermordet worden. Präsident Nayib Bukele ließ daraufhin in einer nächtlichen Sondersitzung des Parlaments einen Ausnahmezustand beschließen, der schon am Sonntag in Kraft trat.

Damit sind bestimmte Grundrechte außer Kraft gesetzt. Die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ist eingeschränkt, das Brief- und Kommunikationsgeheimnis darf auch ohne richterliche Anordnung verletzt werden. Und vor allem: Polizei und Militär dürfen festnehmen, wen auch immer sie für verdächtig halten und zunächst für 15 Tage – statt bisher 72 Stunden – ins Gefängnis stecken.

Insbesondere Letzteres ließ Bukele sofort umsetzen: Allein am Sonntag und Montag wurden laut Bukele rund 1.400 Personen festgenommen – bei denen es sich nach Regierungsangaben ausschließlich um gefährliche Kriminelle handele. Man werde sie ganz sicher nicht wieder freilassen, verkündete Bukele auf Twitter. Im Gegenteil: 70.000 seien noch auf freiem Fuß, und wenn man 1.400 Festnahmen in zwei Tagen schaffe, sei das ein guter Start in einen zunächst auf 30 Tage begrenzten Ausnahmezustand.

Ebenfalls per Kurznachrichtendienst – einem der wichtigsten Kommunikationskanäle des Präsidenten – veröffentlichte Bukele eine Warnung an die Pandillas: Wenn sie nicht mit dem Morden aufhörten, würden dafür auch ihre 16.000 Gefangenen in den Haftanstalten bezahlen. Man habe ihnen das Essen reduziert, ihnen jegliche persönliche Habe abgenommen, lasse sie nunmehr ohne Matratzen auf dem nackten Boden schlafen und schließe sie ohne Hofgang 24 Stunden am Tag in den Zellen ein.

Soll doch das Ausland sich um Menschenrechte sorgen!

Dazu veröffentlichte Bukele ein Video, in dem zu sehen ist, wie in einer Haftanstalt Hunderte Gefangene nur in der Unterhose aus ihren Zellen geholt werden. Maskierte Polizisten fesseln ihnen die Hände auf dem Rücken und zerren sie brutal in die Sonne auf dem Gefängnishof, wo sie sich eng aneinander hinsetzen müssen.

Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen reagierten sofort auf diese offensichtlichen Verletzungen jeglicher rechtlicher Standards. Doch der Präsident hat dafür nur Verachtung übrig. In einer ganzen Serie von Tweets fordert er die internationale Gemeinschaft auf, „diese Engelchen“ doch bei sich aufzunehmen, wenn man sich so sehr um die Menschenrechte von Mördern sorge. Auch Richter*innen, die seine Handlungsweise für illegal erklären könnten, kanzelte er sofort ab: Man warte bloß noch auf Richter, die sich auf die Seite von Verbrechern stellten.

Was der Grund für die Gewaltwelle vom Wochenende war, ist Spekulation. Der Großteil der Opfer hatte laut Polizeiangaben keinerlei Verbindung zu den kriminellen Organisationen.

Möglich ist, dass die Pandillas mit der Mordserie auf ein Scheitern der geheimen Verhandlungen reagierten, die Bukele nach Recherchen der unabhängigen Internetzeitung El Faro seit 2020 mit Führungsleuten der drei wichtigsten Organisationen führt.

Die sollen dabei bessere Haftbedingungen für die Gefangenen und bestimmte Freiheiten für die draußen lebenden Pandilleros angestrebt haben, im Gegenzug zu einem Aussetzen der Gewalt, was wiederum Bukele politisch für sich hätte ausnutzen können.

Bukele hat stets geleugnet, solche klar widerrechtlichen Verhandlungen zu führen. Eine Abteilung der Staatsanwaltschaft, die den Hinweisen darauf nachging, ließ er auflösen. Und die Beweisdokumente, die El Faro für die Existenz der Verhandlungen vorlegte, brachten Bukele nur dazu, noch schärfer gegen unabhängige Medien im Land vorzugehen.

Bei alldem kann Bukele nach wie vor auf eine ungebrochene Popularität setzen – und vor allem auf eine machtlose Opposition, nachdem seine Partei Nuevas Ideas vor einem Jahr die absolute Mehrheit im Parlament erzielte. Das harte Vorgehen gegen die Pandillas dürfte Bukeles Beliebtheit in der Bevölkerung keinen Abbruch tun.

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